"Die Mannschaft steht nicht unter Druck"

Wie ist Ihre Gefühlslage vor Ihrem Abschiedsspiel? Baur: Bisher sind Vorbereitung und Organisation so aufwändig, dass ich kaum Zeit zum Nachdenken hatte. Das wird alles am Mittwoch kommen, wenn ich auf dem Feld stehe

 Im Trikot des Weltmeisters ist der Ex-Niederwürzbacher Markus Baur nicht mehr zu sehen. Foto: dpa

Im Trikot des Weltmeisters ist der Ex-Niederwürzbacher Markus Baur nicht mehr zu sehen. Foto: dpa

Wie ist Ihre Gefühlslage vor Ihrem Abschiedsspiel?

Baur: Bisher sind Vorbereitung und Organisation so aufwändig, dass ich kaum Zeit zum Nachdenken hatte. Das wird alles am Mittwoch kommen, wenn ich auf dem Feld stehe.

Was war Ihr prägendstes Erlebnis in der Nationalmannschaft?

Baur: Natürlich ist der WM-Titel im eigenen Land das Schönste, was ein Sportler erleben kann, dieses Erlebnis, diese Riesen-Euphorie sind nicht zu toppen. Aber es gab auch viele andere prägende Erlebnisse in meiner Karriere.

An welchen Rückschlägen hatten Sie zu knabbern?

Baur: Rückschlag heißt für mich, dass es nicht weitergegangen wäre. Das gab es bei uns nicht. Natürlich gab es bittere Niederlagen, wie das WM-Viertelfinale 2001 und das Olympia-Viertelfinale 2000. Aber es ging immer weiter. Ab 2002 ging's stetig aufwärts, und aus Niederlagen gingen wir stärker hervor.

2007, nach sechs Jahren als Spieler in Lemgo, wurden Sie Spielertrainer in Winterthur, nur ein halbes Jahr später Trainer in Lemgo.

Baur: Es war ein überraschender Übergang, eigentlich war alles anders geplant. Ich zog in meine Heimat am Bodensee, um weiter zuspielen, mindestens noch ein, zwei Jahre. Dann hat Lemgo angeklopft, ich habe zugesagt, und die Entscheidung noch keine Sekunde bereut.

Haben Sie als Neu-Trainer Tipps für Nationaltrainer Heiner Brand vor der WM in Kroatien, die am 16. Januar beginnt?

Baur: Ich beobachte Heiner natürlich. Ich will viel von ihm lernen, aber ich maße mir nicht an, ihm Tipps zu geben. Wenn ich gefragt werde, sage ich aber meine ehrliche Meinung.

Sie durften als Erster den WM-Pokal halten - haben Ihre Nachfolger in Kroatien eine Chance?

Baur: Wir haben ein junges, hungriges Team, das sich nach dem Misserfolg bei Olympia zerreißen wird. Ich denke, sie kann jeden schlagen. Entscheidend ist, ob sie ihre Form über 15 Turniertage halten kann.

Im Fokus stehen junge Spieler. Sind sie dem Druck gewachsen?

Baur: Sie haben keinen Druck, weder von Heiner Brand, noch vom Umfeld. Für viele Spieler ist es das erste große Turnier, das ist für die Mannschaft, die sich im Umbruch befindet, eine neue Situation. Sie spielt eine ganz andere Rolle.

Ein Leistungsträger ist Michael Kraus, Ihr Nachfolger als Spielmacher, der bei Ihnen in Lemgo spielt. Ist bei ihm schon die Ihre Handschrift erkennbar?

Baur: Nein, das ist seine Handschrift. Er hat sich als Mensch und Spieler weiterentwickelt. Aber er ist jetzt auch in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen - und das kann er.

Neben Kraus sind vor allem die Weltmeister Torsten Jansen, Johannes Bitter, Pascal Hens und Holger Glandorf die Stützen der Mannschaft. Reicht das aus?

Baur: Die Mannschaft hat viele wichtige Bausteine. Der Vorteil ist, dass die Verantwortung auf viel mehr Schultern verteilt ist. Auch jungen Spielern traue ich zu, dass sie für Routiniers in die Bresche springen werden.

Bei der WM arbeiten Sie als Co-Kommentator für RTL, das erstmals ein großes Handball-Turnier überträgt. Bereiten Sie sich besonders auf die neue Rolle vor?

Baur: Ich bin bei Spielanalysen gefordert, das kann ich. Das Wichtigste ist, ehrlich und authentisch zu sein, die Zuschauer merken sofort, wenn man sich verstellt. Es wird auch für mich ein Lernprozess sein, diese neue Rolle zu übernehmen.

Zur Person

Markus Baur, geboren am 22. Januar 1971, ist verheiratet und hat drei Kinder. Seine Stationen als Spieler: SG Wallau/Massenheim, TV Niederwürzbach, HSG Wetzlar, TBV Lemgo, Pfadi Winterthur (Spielertrainer). Er absolvierte 410 Bundesliga-Spiele (1606 Tore) sowie 227 Länderspiele (706 Tore). Seine größten Erfolge: Weltmeister 2007, Europameister 2004, Vize-Olympiasieger 2004, Vize-Weltmeister 2003, Vize-Europameister 2002, EHF-Cup-Sieger 2006, deutscher Meister 2003, deutscher Pokalsieger 2002. red

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