Die Leiden zweier StarsEndlich Gold für Tina Kron

Wattenscheid. Weltmeister Matthias de Zordo schlappte lässig mit den Händen in den Hosentaschen und über der Schulter baumelnder Sporttasche von der Anlage - noch bevor das für ihn so wichtige Speerwerfen überhaupt begonnen hatte. Ariane Friedrich saß nicht weit entfernt auf der Hochsprungmatte, schrie vor Wut und ließ später den Tränen freien Lauf

Wattenscheid. Weltmeister Matthias de Zordo schlappte lässig mit den Händen in den Hosentaschen und über der Schulter baumelnder Sporttasche von der Anlage - noch bevor das für ihn so wichtige Speerwerfen überhaupt begonnen hatte. Ariane Friedrich saß nicht weit entfernt auf der Hochsprungmatte, schrie vor Wut und ließ später den Tränen freien Lauf. Die Reaktionen der beiden deutschen Leichtathletik-Asse waren höchst unterschiedlich, der Frust bei der DM in Wattenscheid identisch. Zwei Wochen vor dem Ende der Qualifikationszeit fehlt ihnen die Olympia-Norm. Wenn jetzt noch der EM-Wettkampf in Helsinki schief geht, ist der Traum vom olympischen London-Trip geplatzt."Mit Schmerzen im Wurfarm kann ich nicht werfen. Ich habe es ja beim Einwerfen zwei Mal probiert, aber ehe ich mir etwas Schlimmes reinziehe, habe ich mich lieber für den Verzicht entschieden", erzählte Linkshänder de Zordo scheinbar ungerührt. Aber dann ließ der 100-Kilo-Recke vom SV schlau.com Saar 05 doch noch in sein Innenleben blicken: "Die Saison hat doof angefangen, und genauso doof geht sie jetzt weiter. Ich wollte hier meinen Meistertitel verteidigen und die 82 Meter werfen. Aber der Körper muss eben mitspielen." Tut er aber nicht.

Der Überraschungs-Weltmeister von Daegu 2011 steht im Olympia-Jahr bisher bei 81,62 Metern, und damit fehlen exakt 38 Zentimeter für einen Startplatz bei den Olympischen Spielen. Zuerst plagte sich de Zordo mit einer Rückenverletzung, dann mit technischen Problemen bei der Flugkurve des Speeres. In der Vorwoche rutschte er beim World Class Meeting in St. Wendel aus und fiel unglücklich auf den Ellenbogen des Wurfarms.

Mit "viel Physiotherapie" will der 24-Jährige in der nächsten Woche die vermeintliche Reizung aus dem Ellenbogen bekommen und dann bei der EM Ende des Monats in Helsinki die für ihn eigentlich läppische 82-Meter-Marke übertreffen: "Ich habe keine Angst, dass es nicht klappt. Ich bin ein Wettkampf-Typ. Ich muss nur ohne Schmerzen befreit werfen."

Das Thema "befreit" macht Hochspringerin Ariane Friedrich im Jahr ihrer Rückkehr nach überstandenem Achillessehnenriss vor allem psychisch zu schaffen. "Ich glaube wirklich, dass ich viel cooler bin, wenn endlich diese blöde Norm fällt. Aber jetzt ist es so, als ob ich gegen eine Mauer laufe", schilderte die WM-Dritte von Berlin 2009 ihre aktuelle Situation und vergoss im Wattenscheider Regen bittere Tränen: "Ich war felsenfest überzeugt, dass ich die Norm hier springe".

1,92 Meter hat die 28-Jährige bislang geschafft, drei Zentimeter mehr sind für das London-Ticket nötig. In Wattenscheid überquerte sie bei Gruselwetter mit böigem Gegenwind und Regen nur 1,86 Meter, ließ dann 1,93 auflegen und riss drei Mal. "Regen und Kälte, das war der Killer", meinte Friedrich, die zumindest mit ihren pink gefärbten Haaren auffiel. Im Wissen darum, dass dieses Wetter bei ihrer letzten Chance, der EM in Helsinki, auch möglich ist, will sie unbedingt in der kommenden Woche noch ein kleines Sportfest besetzen.

Herbert Czingon, Cheftrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, hält davon nicht viel. "Es ist nicht einfacher, aufs Land zu ziehen. Da fehlt die Konkurrenz. Die EM ist der bessere Weg", sagte er. Zur Not könnte ähnlich wie in einigen Laufdisziplinen die Nominierungszeit noch um ein paar Tage bis 6. Juli (Top-Meeting in Paris mit Hochsprung und Speerwurf) verlängert werden. "Wir werden da flexibel sein und alles ausschöpfen, was international möglich ist", sagte Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, in Wattenscheid: "Aber Voraussetzung für eine Nominierung bleibt die Norm." dapd

Wattenscheid. Medaillen bei deutschen Meisterschaften hat Tina Kron schon so einige gesammelt. Bronze 2003, 2005 und 2006, Silber 2007, 2008, 2009 und 2011. Was bisher gefehlt hat, war eine goldene. Und diese hat sich die 400-Meter-Hürdenläuferin des SV schlau.com Saar 05 gestern im Wattenscheider Lohrheidestadion geschnappt. In 57,36 Sekunden setzte sich Kron souverän vor den Kölnerinnen Claudia Wehrsen (58,09) und Frederike Hogrebe (58,43) durch.

"Das ist großartig, ich bin einfach happy", sagte Kron, die sich schon im Vorfeld der Titelkämpfe für die Europameisterschaften in zehn Tagen in Helsinki qualifiziert hat. Und weil dem so war, hat "heute nur der Titel gezählt. Auch die Zeit war nebensächlich", sagte Kron, die sich nun gezielt auf die EM vorbereiten will. Ihre Ziele hat sie schon mal formuliert: "Ich will dort eine Runde weiterkommen und auch Bestzeit laufen." Die steht aktuell bei 55,58 Sekunden (2007).

Eine zweite Medaille für das Saarland holte überraschend Hammerwerfer Andreas Sahner. Der Rehlinger kam hinter dem Favoriten Markus Esser vom TSV Bayer Leverkusen auf Rang zwei und feierte damit seinen bisher größten Erfolg. Allerdings war das Niveau des Wettkampfs nicht wirklich hoch: Esser verpasste mit 75,38 Metern die angepeilte Olympia-Norm (78,00) deutlich, Sahner blieb noch deutlicher hinter Esser zurück (70,72 Meter).

Über einen fünften Platz konnte sich Aline Krebs vom LAZ Saarbrücken über 800 Meter freuen (2:06,33), Dreispringer Martin Jasper vom LC Rehlingen wurde mit 15,29 Metern Sechster. Ebenfalls Sechster wurde Simon Kirch (Saar 05) über 400 Meter in 47,35 Sekunden. Esther Eisenlauer (Saar 05) kam im Speerwurf (55,03 Meter) auf Rang sieben. red Foto: Lohnes/dapd

"Ich glaube wirklich, dass ich viel cooler bin, wenn endlich diese blöde Norm fällt."

Hochspringerin

Ariane Friedrich