Skandal beim Landessportverband Die Kernfrage ist, wer die Verantwortung trägt

Saarbrücken · Die SZ erläutert die offenen Punkte zum LSVS-Skandal. Wer hat Schuld am Defizit?

 Die Hermann-Neuberger-Sportschule im Saarbrücker Stadtwald gehört dank ihrer Infrastruktur zu den bundesweit Besten. Vieles wurde in den letzten Jahren neu gebaut, auch die Leichtathletik- und Badminton-Halle (vorne links) und die Multifunktionshalle (rechts).

Die Hermann-Neuberger-Sportschule im Saarbrücker Stadtwald gehört dank ihrer Infrastruktur zu den bundesweit Besten. Vieles wurde in den letzten Jahren neu gebaut, auch die Leichtathletik- und Badminton-Halle (vorne links) und die Multifunktionshalle (rechts).

Foto: Robby Lorenz

Heute Abend kommt der Gesamtvorstand des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS) erneut zu einer Krisensitzung an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken zusammen. LSVS-Präsident Klaus Meiser und das Präsidium werden den Vertretern aller Fachverbände den aktuellen Stand des LSVS-Skandals erläutern – und sie müssen Rede und Antwort stehen, weil gerade die Frage nach der Verantwortlichkeit nicht geklärt ist. Die SZ gibt einen Gesamtüberblick über die Ausgangslage, den Skandal und die Zukunft des Sports im Saarland.

Der LSVS: Der Landessportverband für das Saarland (LSVS) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Dachverband der saarländischen Sportverbände und -vereine sind 370 000 Menschen aus gut 2100 Sportvereinen organisiert. Laut seiner Satzung dient der LSVS der Förderung des Sports im Saarland und unterstützt insbesondere die Fachverbände und Verwaltungsarbeit der ihm angehörenden Fachverbände finanziell und organisatorisch. Er schafft mit seinen Mitgliedern „die Voraussetzung zur Förderung des Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssports ebenso wie des Leistungs- und Spitzensports“, heißt es weiter.

Die Finanzierung: Der LSVS finanziert sich größtenteils über das sogenannte „Sportachtel“. Dieses Sport­achtel ist gesetzlich verankert und garantiert dem LSVS 12,5 Prozent des Jahresumsatzes der Saarland Sporttoto GmbH (Saartoto), die im August 1951 auf Initiative des LSVS gegründet wurde. Der LSVS ist zu drei Siebtel (42,86 Prozent) an Saartoto beteiligt, die übrigen vier Siebtel (57,14 Prozent) gehören dem Bundesland Saarland. In den vergangenen Jahren bewegte sich das Sportachtel zwischen 13,2 und 13,6 Millionen Euro.

Die Hermann-Neuberger-Sportschule: Im Saarbrücker Stadtwald, bevor das Gelände der Universität des Saarlandes beginnt, hat der LSVS seine Heimstätte. Die Hermann-Neuberger-Sportschule gehört nach umfangreichen Ausbau-, Umbau- und Renovierungsarbeiten in den vergangenen gut zwei Jahrzehnten zu den infrastrukturell am besten ausgestatteten Sportschulen Deutschlands und beherbergt auch einen Teil des Olympiastützpunktes Rheinland-Pfalz/Saar.

Die Sportplanungskommission: Die Sportplanungskommission (Plako) ist beim Ministerium für Inneres, Sport und Bauen angedockt und entscheidet nach Richtlinien der Landesregierung über Zuschüsse zu Bau, Unterhaltung und Ausstattung von Sportanlagen im Land. Die Plako erhält jährlich 22,75 Prozent des LSVS-Sportachtels, in der Regel um die 3,0 Millionen Euro jährlich.

Der Haushalt des LSVS: Der LSVS hat einen großen Gesamt-Haushalt, der auf Einnahmenseite hauptsächlich vom Sportachtel bestimmt wird und sich in den vergangenen Jahren zwischen 15 und 16 Millionen Euro jährlich bewegt hat. Laut Satzung des LSVS ist das Präsidium für den Haushaltsplan­entwurf und den Vollzug des Haushalts verantwortlich. Der Haushaltsplan bedarf der Genehmigung der für die Rechtsaufsicht zuständigen obersten Landesbehörde – im vorliegenden Fall das Ministerium für Inneres, Bauen und Sport. Der Plan wird formal auf Grundlage der sogenannten „kameralistischen Buchführung“ erstellt, wo vereinfacht die Einnahmen und Ausgaben des zu planenden Jahres gegenübergestellt werden.

Der Haushalt der Hermann-Neuberger-Sportschule: Die Hermann-Neuberger-Sportschule mit der Mensa und den Gästehäusern gilt als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und hat einen eigenen Wirtschaftsplan. Sie taucht auch im LSVS-Gesamthaushalt als Ausgabenposition auf. Grundsätzlich gleicht der LSVS das in einem Jahr aufgelaufene Defizit des Betriebs der Sportschule aus, weil die Sportschule nicht kostendeckend arbeitet. In den vergangenen Jahren schoss der LSVS der Sportschule knapp zwei Millionen Euro pro Jahr zu.

Das Finanzloch: Anfang Dezember wurde beim LSVS ein mutmaßliches Finanzloch in Höhe von bis zu fünf Millionen Euro öffentlich. Verantwortlich für das Loch soll ein „systematischer Planungsfehler im Wirtschaftsplan“ gewesen sein. Der LSVS hat in seinem Haushalt eine jährliche Einnahme in Höhe von 550 000 Euro von der Plako eingeplant, um die Sportschule in Schuss zu halten. Diese Einnahme wurde darüber hinaus offenbar auch im getrennten Wirtschaftsplan der Sportschule eingeplant. Dieser systematische Fehler – das Einplanen ein und derselben Einnahme in zwei unterschiedlichen Plänen – soll dem freigestellten LSVS-Hauptgeschäftsführer Paul Hans unterlaufen sein. Und zwar seit 2009, als Hans Nachfolger seines damals verstorbenen Vorgängers Bernhard Gill wurde. Ob der Fehler erstmals von Hans begangen wurde oder ob er einen bestehenden Fehler aus der Zeit von Gill übernommen hat, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Die Prüfungsberichte: Jedes Jahr wird über den Jahresabschluss des LSVS ein Prüfungsbericht erstellt. Der Jahresabschluss des LSVS ist abweichend von der Haushaltsplanung nicht durch eine kameralistische Systematik geprägt, sondern entspricht der Systematik des Jahresabschlusses gemäß dem Handelsgesetzbuch (HGB). Eine erste Version des Jahresabschlusses des LSVS wird laut LSVS-Satzung „dem Präsidium zur Vorprüfung“ vorgelegt. Das Präsidium soll dem von der Mitgliederversammlung gewählten Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss zur Prüfung weiterleiten. Diesen Prüfungsbericht fertigt ein Wirtschaftsprüfer an, der von der Mitgliederversammlung des LSVS gewählt wird. In den vergangenen Jahren war die Firma Audittax Prof. Raber GmbH für den Prüfungsbericht zuständig. Der vom Wirtschaftsprüfer erstellte Prüfungsbericht geht wieder dem LSVS-Präsidium zu, das ihn bis zum 30. September des folgenden Jahres dem Ministerium für Inneres, Bauen und Sport vorlegt.

Die Prüfungsberichte 2012 bis 2014: Der Saarbrücker Zeitung liegen die Prüfungsberichte der LSVS-Abschlüsse von 2012 bis 2014 vor. Im Prüfungsbericht wird der Auftrag und der Umfang der Prüfung genau dargelegt. Der Abschlussprüfer hat jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Dieser Bestätigungsvermerk bedeutet, dass der Jahresabschluss korrekt die tatsächlichen Verhältnisse abgebildet hat. Ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk wird also auch vergeben, wenn Geschäftsjahre mit einem Verlust abgeschlossen werden. Der Abschlussprüfer wurde zudem mit der betriebswirtschaftlichen Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beauftragt. In der Analyse der Ertragslage wird anschaulich dargelegt, dass der LSVS im operativen Geschäft inklusive des Finanzergebnisses defizitär arbeitet (insbesondere im Jahr 2014). Dies ist unmittelbar erkennbar und passt entsprechend nicht zu den Erwartungen der Planung, die der SZ ebenfalls vorliegt.

Der Fehler im System: Die Landessportschule erhält jedes Jahr einen Zuschuss von 550 000 Euro von der Plako zur Sanierung und Instandhaltung. Diese 550 000 Euro werden fälschlicherweise im Haushaltsplan des LSVS (zur Erinnerung: nach dem kameralistischen System) auch auf der Einnahmenseite aufgeführt. Im Jahresabschluss des LSVS (nach der HGB-Systematik erstellt) sind sie aber nicht zu finden. Die fehlerhafte Planung im Haushalt wurde dadurch begünstigt, dass offenbar keine Abweichungsanalyse zwischen der Planung und dem geprüften Jahresabschluss durchgeführt wurde. Diese Abweichungsanalyse hätte im Bereich der Einnahmen (Planung) und der Erträge (Jahresabschluss) unmittelbar gezeigt, dass die geplanten 550 000 Euro Zuschuss im Jahresabschluss nicht auftauchen.

Die Verantwortlichkeiten: Der Haushaltsplan des LSVS wurde nach SZ-Informationen grundsätzlich vom Hauptgeschäftsführer in Absprache mit einem Mitarbeiter des Innen- und Sportministeriums aufgestellt und später dem Innen- und Sportministerium als Rechtsaufsicht vorgelegt, geprüft und genehmigt. Dass das Präsidium ausreichend Kenntnis vom Haushaltsplan hatte, steht außer Zweifel. Der Wirtschaftsplan der Hermann-Neuberger-Sportschule, der ebenfalls vom Hauptgeschäftsführer ausgearbeitet worden sei, sei dagegen laut LSVS dem Präsidium nie vorgelegt worden. In der öffentlichen Anhörung des Innen- und Sportausschusses zum LSVS-Finanzskandal in der vergangenen Woche hatte auch Stefan Rabel, der Leiter der Abteilung E im Innen- und Sportministerium, erklärt, dass dem Ministerium der Wirtschaftsplan der Sportschule nie gezeigt worden sei. Laut LSVS wurde auch die Sportschule von der Firma Audittax geprüft und ein Jahresabschluss erstellt. Warum sich das Präsidium die gesonderten Zahlen der Sportschule, die in der Regel mit gut zwei Millionen Euro aus dem LSVS-Haushalt unterstützt werden musste, um ein ausgeglichenes Ergebnis aufzuweisen, bisher nie genauer zu Gemüte führte, ist eine bisher ungeklärte Frage.

Die nähere Zukunft: LSVS-Präsident Klaus Meiser hat angekündigt, dass die Sportfachverbände in 2018 nicht unter Kürzungen leiden müssen. Gleichwohl ist klar, dass spätestens ab 2019 eine erste Sparrunde kommen wird. Aufgrund der vergleichsweise hohen Fixkosten, die der LSVS aufgrund seiner Struktur nun einmal hat, muss in diesem Jahr vor allem im „kleinen Bereich“ gespart werden. Dazu gehört etwa, dass die Raumtemperatur in den Bürogebäuden abgesenkt werden soll. In den Gästehäusern wird künftig auf kleine Zusatz-Annehmlichkeiten wie Shampoofläschchen oder Gummibärchen für die Übernachtungsgäste verzichtet. Selbst ein Wechsel von drei- auf zweilagiges Toilettenpapier wird in Erwägung gezogen. Im Bereich der Personalkosten will der LSVS künftig einsparen, indem er einige Stellen von Mitarbeitern, die in Rente gehen, nicht mehr neu besetzt. Auch werden Stellen ersatzlos gestrichen, wie etwa die der Lebensgefährtin von LSVS-Präsident Meiser, die zwei Jahre lang dessen Termine koordiniert und bei Sitzungen Protokoll geführt hatte. Der größte Hebel, um 2018 die Ausgaben kurzfristig herunterzufahren, ist die Reduzierung der Tilgungsleistungen für die Baukredite, die der LSVS noch zurückzahlen muss. Das ist laut Meiser schon in die Wege geleitet und könnte sich auf einen freiwerdenden Betrag von etwa 300 000 Euro belaufen. Das mittelfristige Finanzproblem wird dadurch allerdings nicht gelöst, sondern in die Zukunft verschoben.

Das Fazit: Nach einem schleppenden Beginn der Aufklärungsarbeiten im LSVS-Finanzskandal sind nun offenbar nur noch Kleinigkeiten unklar. Es lässt sich in jedem Fall festhalten, dass der vom LSVS zu Beginn der Affäre freigestellte Hauptgeschäftsführer mit der finanziellen Führung beim LSVS überfordert gewesen sein muss – so formulierte es auch sein Anwalt Hans-Jürgen Gebhardt in einem Interview mit dem Saarländischen Rundfunk. Ob Hans den Fehler unabsichtlich begangen hat und ein bestehendes System einfach übernommen hat, muss die Staatsanwaltschaft klären.

 Sie stehen und standen an der Spitze des Landessportverbandes in den Zeiträumen, in denen der LSVS defizitär wirtschaftete: Klaus Meiser (seit Oktober 2014 Präsident) und Vorgänger Gerd Meyer (2002 bis 2014).

Sie stehen und standen an der Spitze des Landessportverbandes in den Zeiträumen, in denen der LSVS defizitär wirtschaftete: Klaus Meiser (seit Oktober 2014 Präsident) und Vorgänger Gerd Meyer (2002 bis 2014).

Foto: Andreas Schlichter

Gleichzeitig kann konstatiert werden, dass das aktuelle Präsidium unter Klaus Meiser – und auch das unter seinem Vorgänger Gerd Meyer – anhand der Zahlen, zu denen es Zugang hatte, hätte feststellen können, dass der LSVS finanziell in die falsche Richtung steuert und sich ein immer größer werdendes Minus aufgebaut hat. Die verdienstvolle Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit schützt hier nicht vor der moralischen Verantwortung der einzelnen Präsidiumsmitglieder. Es ist ihnen zugute zu halten, dass der Hauptgeschäftsgeführer nicht alle Zahlen – wie den Wirtschaftsplan der Sportschule – auf den Tisch gelegt hat. Dennoch wurde nicht so kontrolliert, wie es bei einer Einrichtung mit 15 Millionen Euro Jahresetat angemessen und notwendig gewesen wäre. In gleichem Maße ist auch die Arbeit der Rechtsaufsicht zu hinterfragen, die zwar den Haushaltsplan genehmigt und den Prüfbericht des Jahresabschlusses erhält, aber beide augenscheinlich nie miteinander abgeglichen hat.

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