Leichtathletik-WM Die Karriere der Lichtgestalt endet am Boden

London · Usain Bolt verletzt sich im Staffelfinale von London. Jamaika ist geschlagen, überraschend gewinnen die Briten den Titel über 4x100 Meter.

Ein Schrei, ein Fall – und alles war aus: Die glanzvolle Karriere des Usain Bolt endete mit einem Drama. 50 Meter vor dem Ziel des Staffel-Finals der WM in London ging der Schlussläufer der Jamaikaner verletzt zu Boden. Ausgerechnet in seinem letzten Karriere-Rennen erlebte Bolt einen der bittersten Momente seines großen Sportlerlebens.

Bolt war um 21.56 Uhr britischer Zeit schon mit Rückstand auf die letzte Teilstrecke gegangen, wollte ein letztes Wunder vollbringen. Doch schon nach wenigen Schritten brüllte der 30-Jährige vor Schmerzen auf und ging zu Boden. Nach langen Minuten humpelte er auf seine Teamkollegen gestützt und unter dem tosenden Applaus von 60 000 Zuschauern aus dem Innenraum.

Offenbar hat sich Bolt aber nur leicht verletzt. „Es war ein Krampf in seiner linken hinteren Oberschenkel-Muskulatur“, teilte Jamaikas Teamarzt Kevin Jones noch in der Nacht mit: „Der Großteil der Schmerzen kommt wohl von der Enttäuschung über die Niederlage. Seine letzten drei Wochen waren hart, wir hoffen das Beste für ihn.“

Bolts Teamkollegen hatten sich zunächst betroffen gezeigt. „Es ist einfach passiert“, sagte Teamkollege und Staffel-Startläufer Omar McLeod, der 110-Meter-Hürden-Weltmeister von London, mit reichlich Pathos: „Usain Bolts Name wird dennoch für immer weiterleben.“

Die ebenso frenetisch gefeierten Briten setzten sich in 37,47 Sekunden unerwartet vor den amerikanischen Favoriten um 100-Meter-Weltmeister Justin Gatlin (37,52) durch und holten den WM-Titel nach zwölf Jahren zurück nach Europa. 2005 hatte Frankreich gesiegt, 2007 triumphierten die USA, danach begann die große Ära Jamaikas, das mit dem überragenden Bolt vier Mal in Serie gewann. Die deutsche Staffel war im Vorlauf ausgeschieden.

„Ich denke, Usains Verletzung ist der Kälte geschuldet, es tut mir leid für ihn“, sagte Gatlin: „Für mich ist er immer noch der beste der Welt.“ Bolt tritt damit ohne einen weiteren WM-Titel in seinen Händen zurück. Über 100 Meter war er nur Dritter geworden, über 200 Meter nicht am Start gewesen. Bolt hatte schon weit vor der WM angekündigt, nach den Titelkämpfen seine Karriere zu beenden. Er wurde in seiner Laufbahn acht Mal Olympiasieger und hält seit 2009 die Weltrekorde über 100 (9,58) und 200 Meter (19,19). Vor fünf Jahren stellte er bei Olympia in London zudem mit Jamaika den Weltrekord (36,84) über die 4x100 Meter auf.

Nach seiner Niederlage über die 100 Meter am vergangenen Wochenende, als er nur Bronze holte, hatte sich Bolt rar gemacht in London. Der Jamaikaner nahm überhaupt keine Termine mehr wahr. Der Superstar, der Lautsprecher der Leichtathletik, bereitete sich ganz still auf seinen Abschied vor. Der letzte Akt sollte mit dem zwölften WM-Gold enden – doch er endete am Boden.

Schon nach den 100 Metern, als sich Bolt seinem alten Rivalen Justin Gatlin und Christian Coleman (beide USA) geschlagen geben musste, wirkte der 30-Jährige so, als könne er den Ruhestand gar nicht mehr abwarten. „Ich bin aufgeregt, endlich normal leben zu können, aufzustehen, wann ich will, und zu wissen, dass ich kein Training habe“, sagte Bolt: „Ich kann tun, was ich will.“

Natürlich wird der große Mann aus dem kleinen Dörfchen Sherwood Content den „Sport vermissen, aber ich bekomme die Chance, zu leben und zu reisen, wann ich will. Ich weiß nicht, wo ich hin will oder wohin mich meine Karriere führen wird, aber es ist spannend.“ Schon im Vorfeld der WM hatte Bolt angekündigt, auf dem Oktoberfest in München jetzt „mehr Biersorten ausprobieren“ zu wollen. Und Kinder will Bolt haben, „ganz sicher“.

Ganz sicher wird Bolt auch eine Lücke hinterlassen in der Leichtathletik, niemand kommt an seine Aura heran, niemand fasziniert die Massen wie er. Ohne ihn wird die Leichtathletik eine andere sein. Das ist allen klar. Am Mythos Bolt kann auch das Drama von London samt Verletzung und Niederlage nicht kratzen.

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