Die Idee des Karl Wald

Berlin. Die Erfindung eines Friseurs aus Oberbayern lässt Europas Fußballstars bei der EM zittern. Mit der K.o.-Phase des Turniers hat auch die Zeit des Elfmeterschießens begonnen. Erdacht hat das Nervenspiel vom ominösen Punkt der frühere Amateur-Schiedsrichter Karl Wald

 Karl Wald, der Erfinder des Elfmeterschießens. Foto: Schrader/dpa

Karl Wald, der Erfinder des Elfmeterschießens. Foto: Schrader/dpa

Berlin. Die Erfindung eines Friseurs aus Oberbayern lässt Europas Fußballstars bei der EM zittern. Mit der K.o.-Phase des Turniers hat auch die Zeit des Elfmeterschießens begonnen. Erdacht hat das Nervenspiel vom ominösen Punkt der frühere Amateur-Schiedsrichter Karl Wald. Dank seiner Idee werden seit 1970 Fußballspiele ohne Sieger nach Verlängerung nicht mehr per Münzwurf oder Los entschieden. "Ich hatte immer das Gefühl, dass ich Recht hatte", sagte Wald kurz vor seinem Tod im vergangenen Jahr.Losglück, wie es der spätere Europameister Italien noch 1968 im EM-Halbfinale nach einer Nullnummer gegen die UdSSR hatte - so etwas widersprach Walds Ansicht von Fairness. "Das ist sportlicher Betrug, glatter Blödsinn", urteilte er. Also tüftelte er an einer neuen Lösung. Bei Freundschaftsspielen in Bayern bat er die Teams in den 60er Jahren nach Schlusspfiff, je fünf Schützen für ein Elfmeterschießen zu nominieren. Das Format habe Spieler und Anhänger begeistert, erinnerte sich Wald.

Nun aber musste der gebürtige Frankfurter, der 1936 als 20-Jähriger seine Schiedsrichter-Lizenz erworben hatte, noch die Regelhüter überzeugen. Beim Verbandstag des Bayerischen Fußball-Verbandes im Jahr 1970 war es soweit. Die Funktionäre gaben ihre Blockade auf - und das Elfmeterschießen trat seinen Siegeszug an. Bald übernahmen auch der Deutsche Fußball-Bund, die Uefa und die Fifa die Idee.

Der Rest ist Geschichte: Als erstes großes Turnier wurde die EM 1976 durch einen Elfmeter-Krimi entschieden. Uli Hoeneß schoss in den Nachthimmel von Belgrad, die CSSR wurde Europameister. Danach machte die deutsche Nationalelf stets gute Erfahrungen mit der Lotterie vom Punkt, zuletzt 2006 bei der Heim-WM im Viertelfinale gegen Argentinien. Der Spickzettel von Torwart Jens Lehmann ist unvergessen.

Der Vordenker der großen Elfmeter-Dramen stand selbst nie im Rampenlicht. Karl Wald leitete in seiner Schiedsrichter-Laufbahn zwar mehr als 1000 Spiele, wegen der Altersgrenze aber durfte der gelernte Friseur nach Gründung der Bundesliga nicht mehr auf der ganz großen Bühne pfeifen. Noch im Alter von 75 Jahren stand er als Schiedsrichter auf dem Platz, dann genoss Wald seinen Ruhestand. Mit 94 starb er im Vorjahr im oberbayerischen Penzberg.

Seine beste Idee aber liefert auch nach 42 Jahren weiterhin verlässlich großes Fußball-Kino. "Das ist, als würde ein großer Krieg nicht mit einem geistigen Kräftemessen am Konferenztisch beendet werden, sondern mit einer Partie russisches Roulette zwischen ausgewählten Gefreiten beider Seiten", klagte einst sogar Schauspieler Peter Ustinov über das gefürchtete Elfmeterschießen. dpa

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