Die Hüfte hält Schöttler nicht auf

Saarbrücken · Die Olympia-Qualifikation von Johannes Schöttler vom 1. BC Bischmisheim ist eine Sensation. Der Badmintonspieler hat enorme körperliche Probleme – und fiebert jetzt dem großen Ereignis in Rio entgegen.

Urlaub. Ein Wort, das Johannes Schöttler in den letzten Monaten nicht benutzt hat. Ein Gefühl, das er nicht mehr kennt. Für den Badminton-Nationalspieler vom 1. BC Bischmisheim gab es in letzter Zeit nur eines - die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Ein Jahr dauerte der Zeitraum, in dem der 31-Jährige und sein Doppelpartner und Vereinskollege Michael Fuchs Punkte für Rio sammeln konnten. Ein Jahr, das in der vergangenen Woche mit der Europameisterschaft in Frankreich zu Ende ging - und bei der Schöttler und Fuchs mit ihrer Viertelfinal-Teilnahme tatsächlich ihre Fahrkarte an den Zuckerhut lösten.

Und jetzt endlich: Urlaub. "Am Mittwoch geht es nach Mallorca", sagt Schöttler und lächelt. Eine Woche süßes Nichtstun. Während Lebensgefährtin Kristina, früher selbst Zweitliga-Badmintonspielerin, mit einigen Freunden am Ironman 70.3 Mallorca teilnimmt, wird Schöttler die angemietete Finca "bewachen" und seinem schmerzenden Körper ein paar Tage wohlverdiente Ruhe gönnen. Nur der ein oder andere Gedanke in seinem Kopf wird Rio de Janeiro streifen.

"Das ist vielleicht das Größte, was ich in meinem Sportlerleben erreicht habe", ordnet Schöttler die Qualifikation ganz oben ein. Dabei war der Olympiatraum eigentlich ausgeträumt. Denn Ende 2014 fingen sie an, diese Schmerzen. "Irgendwie in der Leiste, ein bisschen Zwicken im Rücken", erinnert sich Schöttler an die körperlichen Probleme, mit denen er sich von heute auf morgen herumplagte. Eine MRT-Untersuchung ergab, dass die Bandscheiben in Ordnung waren. Aber der Radiologe forschte weiter - und fand das Problem in Schöttlers rechter Hüfte. "Der Knochen meines Hüftkopfes ist zu dick, schlägt gegen die Kapsel, und das führt zu einem Knorpelschaden", erklärt Schöttler.

Im März 2015 ließ sich Schöttler operieren, pausierte mehrere Wochen. Schmerzfrei war er seitdem kaum. An vernüftiges Training war nicht zu denken. Und doch ging er mit Fuchs ab Mai 2015 auf Punktejagd - mit einigen Rausreißern nach oben zu Beginn. Doch je länger die Qualifikation dauerte, umso mehr rutschten sie in der Weltrangliste nach hinten - bis sie vor Beginn der EM erstmals aus den Olympiaplätzen rausfielen.

"Ehrlich gesagt: Ich habe nicht mehr daran geglaubt", sagt Schöttler - zumal die Auslosung in Frankreich nichts Gutes verhieß. Mehr als das Viertelfinale schien kaum machbar. Schützenhilfe war nötig. Und so ging der Blick von Schöttler während der EM-Tage in La Roche-sur-Yon regelmäßig ins chinesische Wuhan, wo die Asiaten ihre Kontinentalmeisterschaften austrugen - ihre größten Konkurrenten um einen Platz in Rio, die Thailänder Bodin Issara und Nipithon Phuangphuape, starteten dort. Und scheiterten wie ein weiteres Thai-Duo in Runde eins.

Nun war klar: Der eigene Viertelfinaleinzug würde Schöttler und Fuchs genügen. "Normalerweise bin ich nicht so der nervöse Typ. Aber vor dem Duell mit den Belgiern war ich sehr fahrig", gesteht Schöttler. Es ging gut, die Bischmisheimer gewannen das Spiel locker in zwei Sätzen - und der 31-jährige Schöttler darf zum zweiten Mal nach London 2012 zu Olympischen Spielen.

Das gilt es jetzt genau zu planen. "Ich habe keine Schläger mehr, keine Schuhe mehr, ich hatte das alles ja schon abgehakt", sagt Schöttler. Kommende Woche wird er sich mit Ärzten, seinem Physiotherapeuten Oliver Muelbredt und dem Bundestrainer zusammensetzen und einen Fahrplan für den Weg nach Rio entwerfen. Vor allem der geschundene Körper will gepflegt werden. Ein paar Tage Urlaub auf Mallorca dürften da ohne Zweifel die besten Voraussetzungen sein.

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Auf einen Blick Für die Olympischen Spiele im August in Rio de Janeiro haben sich aus dem Saarland bislang fünf Sportler qualifiziert: die Badmintonspieler Marc Zwiebler, Michael Fuchs und Johannes Schöttler (alle vom 1. BC Bischmisheim ), Turnerin Pauline Schäfer (TV Pflugscheid-Hixberg) und Triathletin Anne Haug (LAZ Saarbrücken ). Realistische Chancen haben die Schwimmer Christoph Fildebrandt, Annika Bruhn und Marlene Hüther, die ab Donnerstag bei den deutschen Meisterschaften in Berlin gefordert sind, Freiwasserschwimmer Andreas Waschburger , Fußballerin Dzsenifer Marozsan, Bahnradfahrerin Lisa Klein im Vierer, die Leichtathleten um Weitspringerin Sosthene Moguenara und 400-Meter-Läuferin Laura Müller, Ruderer Tobias Franzmann im Leichtgewichts-Vierer sowie eventuell weitere Triathleten wie Rebecca Robisch. red

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