Die halbe Liga zittert

Frankfurt · Hannover 96 startet mit seinem neuen und völlig unerfahrenen Trainer Tayfun Korkut in eine ungewisse Zukunft. Der 39-Jährige muss Ergebnisse liefern, denn viel Kredit dürfte er bei den Fans nicht haben.

Die Rückrunde beginnt, und die halbe Liga bangt: Vor dem Start in die zweite Saisonhälfte der Fußball-Bundesliga müssen neun Clubs den drohenden Abstiegskampf einkalkulieren. Den VfB Stuttgart auf Rang zehn trennen nur fünf Punkte vom SC Freiburg auf dem Relegationsplatz.

Die schlechtesten Karten haben Schlusslicht Eintracht Braunschweig und der immer noch sieglose 1. FC Nürnberg. Doch auch Eintracht Frankfurt, der Hamburger SV oder Werder Bremen dürfen sich keine langen Negativserien erlauben - sonst könnten sich die Traditionsvereine ganz schnell in der 2. Liga wiederfinden.

Genau darauf baut Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht. "Es gibt immer wieder Überraschungen im Fußball, denken wir doch nur an die vergangene Saison. Da hatte Augsburg nach der Hinrunde gerade einmal neun Zähler auf dem Konto und schaffte am Ende mit 33 Punkten noch den Klassenverbleib", sagt der 40 Jahre alte Pfälzer, dessen Club sich in der Winterpause mit dem Norweger Havard Nielsen (RB Salzburg) verstärkt hat.

Der Vorletzte aus Nürnberg führt eine ähnliche Argumentation ins Feld. Doch damit dieser Plan auch realistische Züge annimmt, müssten die Franken erst einmal selbst gewinnen. Das wäre auch dem neuen Trainer Gertjan Verbeek, dessen Team mickrige elf Punkte auf dem Konto hat, zu wünschen. Erst nach dem ersten Sieg will der Niederländer seinen grauen Bart rasieren. Die Zuversicht beim Club, der Ondrej Petrak (Slavia Prag) verpflichtet hat, ist trotz der historischen Pleiten-Vorrunde groß. "Wir landen am Ende sicher nicht auf einem Abstiegsplatz", sagt Abwehrchef Per Nilsson.

Optimismus verbreitet auch Christian Streich. Das Aus in der Europa League ist für den Trainer des SC Freiburg ein Segen. "Da wir künftig einen regelmäßigen Rhythmus haben, traue ich uns zu, dass wir über 90 Minuten ein hohes Maß an Präsenz zeigen", sagt Streich. Und dies sei "die Bedingung, um konkurrenzfähig zu sein".

Während sich Freiburg ganz auf den Kampf um den Ligaverbleib konzentrieren kann, tanzt Eintracht Frankfurt weiter auf den drei Hochzeiten: Liga, Europa League und DFB-Pokal. Die Belastung könnte den Hessen, die Tobias Weis und Alexander Madlung an Land gezogen haben, zum Verhängnis werden. Auch der Rummel um den Verbleib oder Weggang von Trainer Armin Veh wird die Lage nicht gerade beruhigen.

Noch weiter weg von einem ruhigen Arbeiten als in Frankfurt sind die Verantwortlichen in Hamburg. Auch nach dem historischen Votum für die Ausgliederung seiner Profi-Abteilung kommt der Club einfach nicht zur Ruhe. Aufsichtsrats-Chef Manfred Ertel schmeißt hin, und Günter Netzer fordert bereits einen neuen HSV nach Vorbild des großen FC Bayern. Nun nimmt DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler die Spieler in die Pflicht: "Die Mannschaft muss jetzt Flagge zeigen und Ergebnisse liefern."

Druck haben auch Hannover 96 unter dem neuen Trainer Tayfun Korkut sowie Bremen, 1899 Hoffenheim und Stuttgart, deren einzige Konstante in der Hinrunde die nicht vorhandene Konstanz war.Der unbekannte Trainer hätte allen Grund, aufgeregt zu sein. Schließlich soll er die ins Straucheln geratenen Kicker von Hannover 96 in die Spur bringen. Bei der Premiere von Tayfun Korkut geht es an diesem Samstag (15.30 Uhr) gleich gegen die mit VW-Millionen hochgerüstete Truppe des VfL Wolfsburg um den neuen Topspieler Kevin de Bruyne. Doch Korkut, Nachfolger von Mirko Slomka, geht erstaunlich gelassen in seinen ersten Auftritt auf der ganz großen Fußball-Bühne.

"Die Mannschaft ist bereit", sagt er, obwohl er in der Vorbereitung keinen Sieg einfahren konnte. Trotzdem: "Alle haben voll mitgezogen. Wir haben viel gearbeitet." Und es zeichnet sich ab, dass er doch wieder auf seinen Top-Stürmer Mame Diouf (muskuläre Probleme) zurückgreifen kann. Einen Diouf in Top-Form kann Korkut auch gut gebrauchen. In dieser Saison hat Hannover, mit Europa-League-Ambitionen gestartet, noch keinen Auswärtspunkt geholt und nur eines der letzten elf Spiele gewonnen (2:0 gegen Frankfurt am 1. Dezember). Auf Platz 13 dümpelt man den Ansprüchen hinterher.

Von seinem Vorgänger will sich Korkut klar abheben. Der 39-Jährige, der zuvor noch nie eine Profimannschaft verantwortlich betreut hat, setzt im Gegensatz zu Slomka auf ein neues System mit mehr Kontrolle und Ballbesitz, weniger auf Konter. Einen Fehlstart darf er sich kaum erlauben, viel Kredit dürfte er bei den Fans nicht haben. Dessen ist sich der gebürtige Stuttgarter, der 42 Länderspiele für die Türkei absolvierte und an den Europameisterschaften 1996 und 2000 teilnahm, bewusst. "Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir gut reinkommen", sagt Korkut.

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