Die gute Freundin war eine Nummer zu groß

London. Im Spielerzentrum des All England Club hatte sie am Mittwoch die Spielerin getroffen, die Wimbledon einst in ein grünes deutsches Tennis-Paradies verwandelt hatte. 20 Minuten lang plauderten Angelique Kerber und Steffi Graf angeregt über die turbulenten letzten Tennis-Monate, den Aufstieg in die Weltspitze und über die kommenden Karriereziele

London. Im Spielerzentrum des All England Club hatte sie am Mittwoch die Spielerin getroffen, die Wimbledon einst in ein grünes deutsches Tennis-Paradies verwandelt hatte. 20 Minuten lang plauderten Angelique Kerber und Steffi Graf angeregt über die turbulenten letzten Tennis-Monate, den Aufstieg in die Weltspitze und über die kommenden Karriereziele.Immer näher sind die tüchtigen deutschen Fräuleins in den letzten anderthalb Jahren an die Weltspitze herangerückt. Doch dort, wo Karrieren die entscheidende Prägung erhalten, sind Erfolgsmomente wie in den gräflichen Zeiten vorerst noch ein schöner, ferner Traum. Auch nach dem 5. Juli 2012, an dem Kerber auch das zweite Grand-Slam-Halbfinale ihrer Karriere verlor, mit 3:6 und 4:6 auf dem Centre Court von Wimbledon gegen die Polin Agnieszka Radwanska. "Es ist ganz einfach. Ich habe gegen eine bessere Spielerin verloren", sagte Kerber hinterher, eine geschlagene, aber nicht völlig niedergeschlagene Verliererin, "trotzdem bin ich stolz auf das, was ich hier geschafft habe."

Am Ende stand das Scheitern gegen eine Freundin, die das schachspielartige Tennis Kerbers noch eine Klasse besser auf den Rasenteppich zauberte. "Es war eine Meisterleistung von Radwanska. Sie war einfach zu stark", sagte Fed Cup-Chefin Barbara Rittner. Oft genug hatte Kerber in den letzten Monaten ausweglos scheinende Rückstande aufgeholt und sich als Entfesselungskünstlerin einen Namen gemacht. Diesmal gelang das nicht - gegen eine grundsolide, hochkonzentrierte und extrem gleichmäßig spielende Radwanska, die in ihrem ersten Grand-Slam-Halbfinale keine Nervenschwächen zeigte.

Nur in den ersten Minuten der Partie setzte die Weltranglisten-Achte mit Wucht und Dynamik ihre Gegnerin unter Druck, doch nach einer 3:1-Führung war diese Dominanz dahin wie ein flüchtiger Zauber. Fortan bestimmte Radwanska Takt und Tempo der Partie, wirkte geistig und körperlich frischer als die Deutsche, die noch unter den Nachwirkungen des erbitterten Zermürbungskampfes gegen Lisicki litt.

Kerber fehlte besonders bei den Big Points, die ein solches Spiel gerade in Wimbledon immer wieder entscheiden, die hellwache Präsenz und nötige Aggression - mit dem Effekt, dass Radwanska ein einziges Break zum 3:2 schon genügte, um den zweiten Satz und damit auch dieses unspektakuläre Halbfinale für sich zu entscheiden. Auch die einzige Gelegenheit Kerbers zu einem Rebreak wehrte die Polin noch cool ab. Der Centre Court wirkte wie eine einzige Wohlfühlzone für die geschmeidige, spielstarke Nummer drei der Welt.

Kerber, wie schon bei den US Open an der vorletzten Hürde gescheitert, blieben am Ende ihres Wimbledon-Abenteuers freilich gewinnende Eindrücke und Erkenntnisse. Da war die Gewissheit, verdientermaßen weit oben in der Hackordnung des Damentennis zu stehen, im Klub der außergewöhnlichen Frauen mit ständigen Titelperspektiven. Und eben auch jenes Treffen mit Steffi Graf, über das sie sagte: "Es war ein Gänsehaut-Erlebnis. Das werde ich so schnell nicht vergessen."

Agnieszka Radwanska trifft im Finale auf Serena Williams (USA). Williams besiegte Victoria Asarenka (Weißrussland) mit 6:3, 7:6 (8:6).

Auf Einen Blick

Tennisprofi Roger Federer sagt vor dem heutigen Traum-Halbfinale gegen Titelverteidiger Novak Djokovic: "Es wird von Match zu Match einfacher, auch vom Kopf her." Bislang standen sich der Schweizer und der Serbe 26 Mal gegenüber, im direkten Vergleich führt Federer 14:12. Doch von den letzten sieben Partien gewann der Serbe sechs. Im zweiten Halbfinale stehen sich der Brite Andy Murray und der Franzose Jo-Wilfried Tsonga gegenüber. dapd