Die große Abrechnung folgt erst noch

London. Das Renault-Geständnis im Unfallskandal hat die Formel 1 bis ins Mark erschüttert, doch die große Abrechnung steht noch bevor. Der mit schweren Betrugsvorwürfen belastete Flavio Briatore sieht sich nach seinem erzwungenen Rückzug als Teamchef schon als Märtyrer. "Ich versuche damit, das Team zu retten

London. Das Renault-Geständnis im Unfallskandal hat die Formel 1 bis ins Mark erschüttert, doch die große Abrechnung steht noch bevor. Der mit schweren Betrugsvorwürfen belastete Flavio Briatore sieht sich nach seinem erzwungenen Rückzug als Teamchef schon als Märtyrer. "Ich versuche damit, das Team zu retten. Das ist meine Pflicht", sagte der Italiener dem britischen Boulevardblatt.

Dem 59-Jährigen droht wegen des inszenierten Unfalls beim Singapur-Rennen 2008 die endgültige Verbannung aus der Rennserie und seinem bisherigen Arbeitgeber eine drakonische Strafe des Weltverbands. Experten fürchten danach einen Ausstieg des französischen Autobauers, zudem könnte eine Klagewelle gegen Flavio Briatore und Renault folgen.

"Das ist der schlimmste Fall von Manipulation in der Sportgeschichte", befand die Londoner Zeitung "The Times". Auch Formel-1-Chef Bernie Ecclestone verweigerte seinem Freund Briatore die Unterstützung: "Man kann ihn auf keinen Fall verteidigen. Was er getan hat, war völlig unnötig." Von einem Totalschaden für seinen Milliardenzirkus will der Rechte-Mitinhaber aber nichts wissen. "Die Formel 1 hat sich schon so oft erholt, auch wenn Leute behauptet haben, es sei vorbei. Sie wird sich auch davon erholen", erklärte Ecclestone.

Der nächste Akt des Dramas wird am kommenden Montag vor dem Weltrat des Internationalen Automobilverbands Fia in Paris aufgeführt. Dann will das Gremium unter Führung von Fia-Präsident Max Mosley über den fingierten Crash des damaligen Renault-Piloten Nelson Piquet junior urteilen, der seinem Teamgefährten Fernando Alonso den Weg zum Sieg ebnete. Piquet hatte nach seiner Entlassung im Juli der Fia die Geschehnisse gebeichtet.

Der Rennstall hatte am Mittwoch indirekt seine Schuld eingestanden, Briatore und Chefingenieur Pat Symonds mussten gehen. Italienische und spanische Medien sehen das Duo als "Sündenböcke" und Opfer eines "Racheakts" von Mosley, der als Erzfeind Briatores gilt. "Renault überreicht der Fia den Kopf von Briatore", schrieb "As". "Da wurde eine Rechnung beglichen", meinte "La Gazzetta dello Sport". Ex-Weltmeister Niki Lauda forderte ein Durchgreifen des Verbands. "Jetzt muss die Fia Renault hart bestrafen, um die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen."

Ein deftiges Urteil der Fia aber könnte Renault dazu bewegen, den Geldhahn zum Saisonende abzudrehen. Sollte Renault ausgeschlossen werden oder sich aus der Königsklasse zurückziehen, würde der BMW-Sauber-Nachfolger "Qadbak" automatisch als 13. Team für die Saison 2010 nachrücken. dpa

"Jetzt muss

die Fia Renault hart bestrafen, um die Glaub-

würdigkeit wiederher-

zustellen."

Niki Lauda

Meinung

Unfall-Skandal

zieht Kreise

Von SZ-Redakteur

Walter Koster

Wer wie Flavio Briatore im Manipulations-Skandal von Singapur Strafanzeige wegen Verleumdung und Erpressung stellt, der sollte sich seiner Sache sicher sein. Der anschließende Rauswurf oder Abgang des Renault-Teamchefs und seines Chefingenieurs Pat Symonds kommt aber einem Schuldeingeständnis gleich. Lug, Betrug, Spionage und Manipulation gehören seit Jahren fast zum Tagesgeschäft der Formel 1.

Der jüngste Skandal, der weitere Kreise zieht, hat jedoch eine ganz andere Qualität. Mit seiner Aufforderung, einen Unfall zu inszenieren, hat Lebemann Briatore Leben und Gesundheit seines Fahrers, der Streckenposten und Zuschauer gefährdet. Diese Manipulation kann Ferrari-Pilot Felipe Massa sogar den Titel gekostet haben, tausende Motorsportfans müssen sich um ihre Wette betrogen fühlen. Der wirtschaftliche Schaden ist nicht auszudenken. Eingereichte Sammelklagen vor Gericht haben durchaus Chancen auf Erfolg.

Mit der gezogenen Reißleine hat Renault eines erreicht: Reue vor der Verhandlung des Automobil-Weltverbandes (Fia) am Montag gezeigt in der Hoffnung, mit einem milden Strafmaß davonzukommen. Wegen zwei mutmaßlicher Verschwörer kann und darf keine 700-Mann-Firma bestraft werden. Einen Sieger gibt es aber: Fia-Präsident Max Mosley hat mit Ex-Renault-Guru einen Erzfeind weniger.

Hintergrund

Formel-1-Skandale der vergangenen beiden Jahre:

Spionage-Skandal: Mitglieder des McLaren-Mercedes-Team werden 2007 mit Datenmaterial des Erzrivalen Ferrari erwischt. Die Fia verurteilt das Team zur Rekordstrafe von 100 Millionen Dollar. Zudem wird der Rennstall nachträglich aus der Konstrukteurswertung gestrichen.

Sex-Skandal: Ein britisches Boulevardblatt berichtet Ende März 2008 über eine wilde Sexparty von Automobil-Weltverbandschef Max Mosley mit fünf Prostituierten.

Lügen-Affäre: McLaren-Pilot Lewis Hamilton wird nach dem Saisonauftakt 2009 der Falschaussage vor den Sport-Kommissaren überführt. Dem Briten wird sein dritter Platz in Melbourne aberkannt. Sein Team kassiert eine Sperre von drei Rennen, die für ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt wird.

Hitler-Lob: Per Zeitungsinterview löst Formel-1-Chef Bernie Ecclestone vor dem Deutschland-Grand-Prix 2009 mit Lob für die Politik von NS-Diktator Adolf Hitler Empörung aus. Ecclestone entschuldigt sich kurz darauf. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort