Die gesunde Selbsteinschätzung imponiert
London · 18 Kämpfe, 18 Niederschläge: Anthony Joshua, eine Brite mit nigerianischen Wurzeln, gilt als kommender Mann im Schwergewichts-Boxen. Im April 2017 soll das auch Wladimir Klitschko zu spüren bekommen.
Schnelle Hände, gute Beinarbeit, ein großes Kämpferherz: Anthony Joshua gilt im Schwergewichts-Boxen als der kommende Mann. Der Olympia-Sieger von 2012 hat mit seinen 27 Jahren schon für Furore gesorgt und alle seine 18 Profi-Kämpfe vorzeitig gewonnen. Am 29. April will der Brite Wladimir Klitschko im Londoner Wembley-Stadion vor 90 000 Menschen vom Sockel stoßen.
Gemeinsames Sparring
"Wenn ich Wladimir schlagen will, muss ich ein höheres Level erreichen", sagte Joshua am vergangenen Wochenende, nachdem er den US-Amerikaner Eric Molina in der dritten Runde durch technischen K.o. besiegt hatte. Die gesunde Selbsteinschätzung und eine gewisse Unerschrockenheit gehören zu den Stärken von Anthony Oluwafemi Olaseni Joshua, der als Sohn nigerianischer Einwanderer in England Box-Geschichte schreibt.
Joshua, Weltmeister des Verbandes IBF, kennt Klitschko aus dem Eff-Eff. 2014 waren sich die beiden Modellathleten (je 1,98 Meter groß) schon ganz nahe. Klitschko hatte Joshua vor seinem Kampf gegen Kubrat Pulew zum Sparring eingeladen. Der aufstrebende Engländer nahm dankend an, schaute sich die Tricks von "Dr. Steelhammer" aus der Nähe an - und kann nun im kommenden April davon profitieren.
Beide respektieren sich. Klitschko wünschte sich Joshua sogar als Nachfolger - wohl in dem Glauben, dass er gegen den 13 Jahre jüngeren Normal-Ausleger nicht mehr antreten müsse. Doch seine Niederlage im November 2015 gegen den Briten Tyson Fury und dessen anschließender Rückzug brachten alles durcheinander. Jetzt heißt das große Duell des Jahres 2017: Klitschko gegen Joshua.
Ähnlich wie Klitschko gilt Joshua als Vertreter einer neuen Boxer-Generation, die nicht so gerne mit halbnackten Models oder Dollarscheinen posieren, sich aber stattdessen auch über andere Dinge des Lebens Gedanken machen und komplexe Sachverhalte erklären können.
Als Joshua in der Nacht zu Sonntag nach dem Sieg gegen Molina gefragt wurde, wie er denn diese Fokussierung aufs Boxen und diese Disziplin hinkriegen würde, ob er dazu Kokain und Heroin benötige, lächelte er nur und gab Einblicke in sein Leben: "Wir wurden von klein auf geschleift, gehetzt, es ging immer um Erfolg. Ich war lange Amateur, das waren alle Löwen, alle waren hungrig."
"Wir sind alle Löwen"
Er habe jedoch früh erkannt, dass Geld oder teure Uhren nicht wichtig seien. "Es geht darum, fokussiert zu bleiben, seine Herkunft, seine Moral zu kennen, wofür du stehst, das ist mehr als nur Boxen. Das ist auch, warum ich mich schinden kann. Boxen ist ein Teil deiner Reise. Alles andere ist Bonus", sagte Joshua.
Anders als sein Landsmann Fury, der den Box-Sport mit seinen peinlichen Auftritten wieder in Verruf brachte, sieht sich Joshua - ähnlich wie Klitschko - als Botschafter seiner Sportart: "Wir sind alle Löwen, aber wir kommen als Boxer zusammen, um unseren Sport zu repräsentieren." Eine Niederlage würde ihn nicht aus der Bahn werfen. "Am Ende", sagte Joshua, "ist das ein Kampf wie jeder andere". Das aber war der einzige Satz von ihm, der wenig glaubwürdig war.
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