Die Geschichte einer guten Tat

Saarbrücken. Benefizspiele sollen Gutes bewirken, das sagt schon der Name (beneficio = Wohltat). Das Gezeter um das Benefizspiel des 1. FC Saarbrücken gegen den FC Schalke 04 (0:2) am 29. Juli 2009 für die Rudi-Kappés-Stiftung ist derzeit eher ein Trauerspiel. Bis heute steht der Erlös noch nicht fest. Daher gibt es Streit zwischen Veranstalter MH Sportmarketing und dem 1

Saarbrücken. Benefizspiele sollen Gutes bewirken, das sagt schon der Name (beneficio = Wohltat). Das Gezeter um das Benefizspiel des 1. FC Saarbrücken gegen den FC Schalke 04 (0:2) am 29. Juli 2009 für die Rudi-Kappés-Stiftung ist derzeit eher ein Trauerspiel. Bis heute steht der Erlös noch nicht fest. Daher gibt es Streit zwischen Veranstalter MH Sportmarketing und dem 1. FC Saarbrücken. Grundlage des Streits sind mindestens 2300 kopierte Stehplatzkarten (liegen der SZ komplett vor), vermeintlich verschlampte Entschuldigungsbriefe, eidesstattliche Erklärungen, unterschiedliche Zuschauerzahlen und mit Michael Arnold ein Stiftungspräsident, der "im Moment nicht weiß, wem wir noch glauben können".

Zuschauerzahl unklar

Arnold sitzt im Vorstand eines FCS-Sponsors und ist Mitglied im Aufsichtsrat des Fußball-Regionalligisten. Er erklärt, dass Günter Müller die Idee zum Spiel hatte. Müller ist Chef der MH Sportmarketing. Der Österreicher "kam auf uns zu", erklärt Arnold. "Er sagte, er konnte Felix Magath dafür gewinnen, ein Spiel gegen den FCS für einen guten Zweck zu organisieren. Wir stimmten zu, weil wir froh waren, Werbung für die Stiftung zu machen und uns auch über die bevorstehenden Einnahmen freuten", sagt Arnold. Müllers Referenzen: Er hatte des Öfteren Tennis- und Tischtennisveranstaltungen erfolgreich organisiert und spendete meist einen Teil der Erlöse an die Stiftung.

Da Müller nicht genügend Mitarbeiter für die Orga des Spiels hatte, bat er den 1. FC Saarbrücken um Unterstützung. Das Büro seiner Agentur ist auf der Etage der Geschäftsstelle des 1. FC Saarbrücken. Die Wege waren kurz, Verträge schnell aufgesetzt. "MH wurde das gesamte Ticketsystem des Vereins zur Verfügung gestellt. Die Verwaltung und Abrechnung der Einnahmen oblagen vereinbarungsgemäß ausschließlich MH Sportmarketing", teilt das Präsidium des FCS mit. Müller dazu: "Wir hatten weder mit dem Ticketsystem noch mit dem Kartendruck etwas zu tun, und auch der Großteil des Ticketverkaufs lief über den 1. FC Saarbrücken." FCS-Präsident Horst Hinschberger widerspricht dieser Darstellung.

Die Veröffentlichung von Vorverkaufs- und Zuschauerzahlen "erfolgte ausschließlich durch den Veranstalter", schreibt der FCS weiter. Das Präsidium und die Geschäftsstellenleitung habe weder eine Zuschauerzahl ermittelt noch bekannt gegeben. Einer Kommentierung der höchst unterschiedlichen Angaben zu den Zuschauerzahlen enthält sich der Verein daher auch.

Es gibt drei Zahlen. Die im Stadion am Spieltag angegebenen 19 356. Die Zuschauerzahl, die in der Abrechnung der Mitarbeiter der FCS-Geschäftsstelle auftaucht: 14 068 (davon 12 924 zahlende). Und die Zahl von Müller, die er durch Karten-Rückzählung und Banküberweisungen errechnet hat: 11 881 (davon 10 881 zahlende). Bei einem durchschnittlichen Kartenpreis von 10,88 Euro errechnen sich bei 19 356 Zuschauern theoretisch Einnahmen von 210 256 Euro, bei 12 924 Fans wären es 139 579,2 Euro, bei 10 881 Fans wären es 117 514,8 Euro.

Die Differenzen zu erklären, endet in einer mühseligen Kleinarbeit, die aufgrund von Ungereimtheiten für alle Parteien nahezu nicht stemmbar scheint: In den Restkarten, die die von Müller eingekauften FCS-Mitarbeiter nach dem Spiel zurückgegeben haben, befanden sich offensichtlich mehr als 2300 kopierte Stehplatzkarten mit gleicher Kartennummer. Diesen Fehler geben die Mitarbeiter auch zu. In einer eidesstattlichen Erklärung, die der SZ vorliegt, gestehen die Mitarbeiter die Kopier-Aktion bereits zum Vorverkaufstart am 7. Juli 2009 ein.

Was genau beim Druck schief gelaufen ist? Die Mitarbeiter stellten bei einer ersten Zählung fest, zu wenige Karten gedruckt zu haben. Daher fanden sie die Lösung akzeptabel, "die vermeintlich fehlenden Stehplatzkarten zu kopieren, da das Navision-System keine Karten mehr ausdrucken konnte", heißt es in der Erklärung. Wie viele Karten das waren, ist unklar. Eine Zahl findet sich in der der SZ vorliegenden Erklärung nicht. Dazu FCS-Geschäftsstellenleiter Thomas Heil: "Die Mitarbeiter haben die Karten nachgedruckt, damit sie auf die von MH gewünschte Zahl von 25 408 kamen. Das sollten offenbar Ersatzkarten für die vermeintlich fehlenden sein." Fest steht: Kopierte Karten gingen in den Verkauf, insgesamt 2300 wieder zurück an Müller - und das Gezänk um die Zahl der verkauften Eintrittskarten begann.

Auf Initiative von FCS-Präsident Horst Hinschberger sollte es ein klärendes Gespräch zwischen Stiftung, 1. FC Saarbrücken und dem Veranstalter geben. "Dabei sollten die Karten gemeinsam gezählt werden und alles geklärt werden, so dass sich danach alle wieder anschauen können", erklärt Arnold. Das Gespräch fand aber nie statt, wurde laut Arnold immer wieder kurzfristig abgesagt. Ein erklärender Brief, den die betreffenden Mitarbeiter ausgearbeitet hatten, der ebenso der SZ vorliegt und am 26. November an Arnold rausging, "kam bei mir nie an", sagt der Stiftungspräsident. FCS-Geschäftsstellenleiter Heil sagt hingegen, "dass der Brief an Herrn Arnold geschickt wurde. Der Brief ging auch ans Präsidium, an den Aufsichtsratsvorsitzenden Reinhard Klimmt und an die MH Sportmarketingagentur. Herrn Arnold eine Zweitschrift zur Verfügung zu stellen, dürfte insofern unproblematisch sein." Eventmanager Müller sagt: "Auch ich habe den Brief nie erhalten." Angekommen ist er bei Klimmt, wie der Aufsichtsrats-Chef erklärt.

Anzeige gegen Unbekannt?

Abzüglich aller Kosten und der Aufwandsentschädigung für die MH Sportmarketing kommt Müller auf Grundlage seiner Zahlen auf einen (vorläufigen) Erlös von 45 000 Euro für die Kappés-Stiftung. 15 000 davon habe er bereits angewiesen. Die Mannschaft stellte der FCS unentgeltlich zur Verfügung. Genau wie Schalke, das sich vom Veranstalter "nur" einen Charterflug und ein Tageshotel bezahlen ließ - laut Müller für 16 000 Euro. Zum Vergleich: Beim Abschiedsspiel von Handball-Star Christian Schwarzer am 7. Juli 2009 kamen 2700 Zuschauer. Der Erlös: 63 000 Euro.

Michael Arnold, der sich einen sechsstelligen Betrag aus dem Benefizspiel erhoffte, drängt auf Aufklärung: "Ich werfe niemandem etwas vor, aber die bisher genannten Zuschauer-Zahlen werfen einige Fragen auf." Fragen, die nach Müllers Ansicht möglicherweise nur noch die Staatsanwaltschaft klären kann. Der MH-Chef überlegt daher, "Anzeige zu erstatten. Gegen Unbekannt". Horst Hinschberger dazu: "Wir haben nichts zu befürchten." Müller will das aber nur tun, wenn er es nicht schafft, "alle Parteien an einen Tisch zu bringen und die Sache gemeinsam aus der Welt zu schaffen". Und das alles 261 Tage nach dem Benefizspiel. "Die bisher genannten Zuschauer-

Zahlen werfen einige Fragen auf."

Michael Arnold

Meinung

Zeit für eine Schlussrechnung

Von SZ-Redakteur

Mark Weishaupt

Das Hin und Her um die Schlussrechnung des Spiels zwischen dem 1. FC Saarbrücken und Schalke ist ein Trauerspiel. Drei unterschiedliche Zuschauerzahlen, unterschiedliche Einnahmen, 2300 kopierte Karten: Die Organisation des Spiels war zumindest eines - sie war unprofessionell. Darüberhinaus ist es bemerkenswert, dass es den Protagonisten, die sich in den 261 Tagen sicher mehrfach über den Weg gelaufen sind, nicht gelungen ist, die Kuh vom Eis zu bekommen. Die handelnden Personen sollten sich endlich vor Augen führen, dass es hier um eine gute Sache geht. Denn es gibt bedürftige Menschen, die warten auf Hilfe durch die Rudi-Kappés-Stiftung - und zwar schon länger als 261 Tage.

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