Rallye-WM Die Gedanken sind voll auf der Straße

Hahnweiler · Marijan Griebel will im Skoda Fabia bei der Deutschland Rallye am Bostalsee einen Heimsieg einfahren.

 Wenn Marijan Griebel privat unterwegs ist, fährt er einen Skoda Yeti, ein kastiges Familienauto.

Wenn Marijan Griebel privat unterwegs ist, fährt er einen Skoda Yeti, ein kastiges Familienauto.

Foto: Carsten Müller

Mit der Pünktlichkeit hat er es nicht so – im Alltag zumindest nicht. Im Auto schon. Sonst bekäme Marijan Griebel Strafzeiten aufgebrummt. Damit das nicht passiert, hat sein Beifahrer Stefan Kopczyk die Uhr genau im Blick. „Zieh deinen Helm auf, mach dich fertig“, weist er ihn an. Und dann geht es los bei der ADAC Deutschland Rallye. Nach zehn Jahren ist sie in der kommenden Woche (17. bis 20. August) zurück in der Region. Ein Heimrennen für den Lokalmatador aus dem rheinland-pfälzischen Hahnweiler, einem Nachbarort von Freisen – also unweit des Bostalsees, wo das Rallye-Zentrum sein wird.

Keiner der Fahrer kennt die Strecke so gut wie Griebel. Den Vorteil will er nutzen, sich beweisen. In seinem Skoda Fabia tritt er in der Fahrzeugklasse WRC 2 an. Der Top-Klasse der Europameisterschaft. Der zweithöchsten Klasse der Weltmeisterschaft. Knapp 300 PS, Allradantrieb, modernste Technik – das sind die Autos. Bei der Weltmeisterschaft mischt Griebel dieses Jahr nicht mit. Bei der EM schon. Im Moment führt er die Junioren-Wertung an. Und die will er auch ganz gewinnen – so wie vergangenes Jahr.

Bei der Deutschland Rallye will der 28-Jährige einen Platz unter den ersten Fünf seiner Klasse erreichen. „Mit allem anderen wäre ich nicht zufrieden“, sagt er. Fünf Mal hat er seine Klasse bei diesem Lauf schon gewonnen. Aber dieses Mal sei „superstarke Konkurrenz“ dabei. Zu den Favoriten in der höchsten Fahrzeugklasse gehört der Belgier Thierry Neuville. Zu ihm blickt Griebel auf, eifert ihm nach. „Ein sympathischer und bodenständiger Typ“, sagt Griebel über sein Vorbild.

So könnte er auch über sich selbst sprechen. Wer den Rallye-Fahrer auch privat in einem schnellen Sportwagen vermutet, der täuscht sich. In einem weißen Skoda Yeti fährt er vor. Ein kastiges Familienauto. Und das sucht sich ein Rennfahrer aus? Nicht ganz. Griebel bekommt es für die laufende Saison von seinem Sponsor zur Verfügung gestellt. Nur das Benzin muss er selbst zahlen.

Am Anfang war er etwas skeptisch. Ob man es irgendwann gegen ein „normaleres“ Modell tauschen könne, fragte er bei Skoda nach. Mittlerweile habe er sich aber daran gewöhnt. „Wenn ich viel verdienen würde, könnte ich vielleicht im Porsche anrücken“, sagt Griebel und lacht. Aber er will auch bodenständig bleiben: „Mit einem normalen Straßenauto über eine Bundesstraße zu heizen, gibt mir nichts.“ Deswegen hat er auch noch keinen Punkt in Flensburg und ist „noch völlig straffrei“. Von Griebels Fahrkünsten lassen sich auch gerne seine Kollegen bei der Polizeiinspektion Birkenfeld überzeugen. Das Steuer des Streifenwagens überlassen sie meistens ihm, erzählt er. Seit 2014 arbeitet er bei der Polizei und hat dort eine Teilzeitstelle. Damit ist er sehr flexibel und kriegt Job und Sport gut unter eine Motorhaube.

Die Begeisterung für den Motorsport hat Griebel von seiner Familie. Sein Vater war Beifahrer und Mechaniker in professionellen Teams, jetzt ist er in Rente. Mit sieben Jahren bekam der kleine Marijan schon sein erstes benzingetriebenes Gefährt, ein Motocross-Motorrad. „Wir hatten viel Wiese um unser Haus herum, und mein Papa lief neben mir her“, erzählt Griebel. Weil es seine Mutter zu gefährlich fand, richtige Rennen zu fahren, fing Griebel mit Trial (Geschicklichkeitsfahren) an. Auch darin war das Talent aus dem Hunsrück sehr erfolgreich – und schaffte es bis zur WM nach Japan. Mit 19 nahm er an einer Sichtung für das Rallyefahren teil: „Dann war ich schon infiziert von dem Sport.“

Heute fährt er ganz vorne mit. Bekommt täglich Autogramm-Anfragen. Sein Ziel: Sich in der Szene so zu etablieren, dass er sein Geld mit dem Rallyefahren verdienen kann. Dazu braucht er einen Herstellerplatz – am liebsten bei Skoda. Dann bekäme er alles finanziert. Aber diese Plätze sind rar. Der Weg dorthin nicht einfach. Zurzeit ist Griebel Privatfahrer. Fährt er ein Auto zu Schrott, muss er die Versicherungssumme selbst zahlen. Das sei ihm zum Glück noch nicht oft passiert. „Bei den meisten Unfällen waren zumindest noch ein paar Fahrzeugteile zu gebrauchen“, sagt er. Unterstützung gibt es aber von seinem Team, für das er an den Start geht. Das übernehme für ihn die 5000 Euro für die Einschreibung bei der Rallye Deutschland. Es stellt auch Ingenieure und Mechaniker.

Und wie trainiert ein Rallye-Fahrer? Gar nicht so viel im Auto. Denn Griebel muss für jeden Kilometer, den er fährt, selbst zahlen. Vor der Deutschland Rallye hat er nur zwei Tage in der Woche vor dem Start, an denen er die Wettbewerbsstrecke erkunden kann. Dabei notiert sein Beifahrer den genauen Streckenverlauf. Während des Rennens gibt Kopczyk dann über Mikrofon und Kopfhörer unter dem Helm vor: „Hundert, rechts, drei, minus, cut.“ Griebel weiß dann den Abstand zu der kommenden Rechtskurve, dass er sie im Radius drei fahren muss, die Kurve kurz oder lang ist und dass er sie schneiden kann. Volle Konzentration. Vier Tage lang. Jeweils acht bis zwölf Stunden am Tag.

„Da darfst du nicht nachlässig werden und während des Fahrens an etwas anderes denken“, erzählt Griebel. Deswegen trainiert der Rallye-Fahrer auch sein Gehirn und seine Koordination. Er jongliert viel, nimmt auch an mentalen Schulungen teil. Und er geht oft in der Hitze joggen. Ausdauer – die braucht er auch beim Fahren. Denn im Cockpit wird es bis zu 45 Grad heiß.

Auch nach fast zehn Jahren im Rallye-Sport pumpt Marijan Griebels Herz schneller, wenn er an den Rennstart geht. Da ändert selbst die Heimkulisse nächste Woche wohl nichts. An der Strecke werden ihm viele Freunde und Bekannte zujubeln. Zurückwinken kann er dann leider nicht. Er hat schließlich einen Heimsieg einzufahren.

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