Die Freundschaft ruht

Recife · Nun ist es endlich soweit: Jürgen Klinsmann gegen Joachim Löw, die USA gegen Deutschland. Die Aufregung vor dem letzten deutschen Gruppenspiel heute ist riesengroß. Die Debatte um die Mittelfeldrolle von Kapitän Lahm irritiert den Bundestrainer.

Die Spannung steigt im Stundentakt vor dem hitzigen Duell im schwül-warmen Recife . Auch in der brasilianischen Millionenstadt, wo die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Strandnähe ihr Quartier bezogen hat, wird intensiv über das Duell Joachim Löw kontra Jürgen Klinsmann debattiert. Zudem wird DFB-Kapitän Philipp Lahm in seinem 109. Länderspiel ungewohnt stark im Fokus stehen.

Der Bundestrainer sieht das Aufeinandertreffen mit seinem engen Weggefährten und Vorgänger dagegen nur als einen emotionalen Randaspekt. "Wir spielen jetzt gegeneinander. Das ist ein Geschäft. Da geht's um erfolgreich sein oder auch nicht. Da ruht die Freundschaft ", betonte der DFB-Cheftrainer vor der Partie gegen die USA um den Gruppensieg am Donnerstag (18 Uhr /ZDF ).

Auf der 1000 Kilometer langen Reise vom Teamquartier in Santo André nach Recife beschäftigte sich der Bundestrainer nicht weiter mit Klinsmann. Löw musste sich viel mehr damit auseinandersetzen, wie er seinem Team nach dem 2:2 gegen Ghana wieder mehr Organisation und Stabilität geben kann - eventuell auch durch Veränderungen. Für radikale Umbaumaßnahmen aber sieht er keinen Anlass. Auch die Diskussionen über die womöglich suboptimale Rolle für Kapitän Philipp Lahm als Mittelfeldspieler blockte Löw ab. "Manchmal nimmt man diese Dinge auch wahr, aber als Trainer kann man nicht immer alles über den Haufen werfen", erklärte der 54-Jährige.

Zweifel lässt sein Masterplan nicht zu. "Warum sollte ich jetzt nach einem Spiel irgendwie unsicher werden?", fragte Löw: "Diejenigen, die nach dem Portugal-Spiel gesagt haben, wie gut die Lösung mit Lahm im Mittelfeld ist, die diskutieren jetzt nach einem schlechteren Spiel: Soll er zurück auf die Außenverteidiger-Position?"

Manager Oliver Bierhoff sprach nach der nochmaligen Aufarbeitung des Ghana-Spiels von "Kleinigkeiten", die gegen die physisch starken Amerikaner besser gemacht werden müssten. Dazu zählt eine noch größere Entschlossenheit im Abschluss. "Keine dummen Situationen im Aufbauspiel provozieren", lautet eine zentrale Vorgabe für das Duell gegen die USA , verriet Torjäger Thomas Müller . Gegen Ghana hatten ein Fehler im Spielaufbau von Lahm sowie ein kurzes Zögern von Sami Khedira zum Rückstand geführt.

"Philipp hat sicher nicht unbedingt den besten Tag erwischt. Er hat zuvor bei Bayern München aber auf dieser Position viele gute Spiele gemacht", meinte Löw und ergänzte: "Ein Trainer darf sich von der öffentlichen Meinung nicht ständig beeinflussen lassen." Bringt Löw also auch gegen die USA wieder dieselbe Startelf wie in den ersten beiden Spielen in Brasilien, zumal Khedira und Jérome Boateng ihre Verletzungen überwunden haben? "Denkbar, muss aber nicht unbedingt sein. Wir haben unterschiedliche Lösungen für Spiele, müssen nicht unbedingt mit der gleichen Aufstellung spielen", erwiderte der Bundestrainer auf diese Frage. Unter anderem könnte Bastian Schweinsteiger in die erste Elf rücken. Khedira, der sich nach seinem Kreuzbandriss im November 2013 mit großem Aufwand wieder fit gemacht hatte, wirkte im zweiten WM-Spiel matt. Die gute Laune lässt sich Lukas Podolski nicht verderben. Zusammen mit Bastian Schweinsteiger tauchte er Ex-Nationalspieler Arne Friedrich bei dessen Besuch am Strand in Klamotten ins Meer. Und weil's so schön war, ging auch Podolski im Sportdress gleich mit baden. Abseits des Fußballplatzes hatte der 29-Jährige schon einige besondere WM-Momente, wie etwa beim selbst aufgenommenen Handy-Bildchen mit Kanzlerin Angela Merkel. Auf dem Rasen aber wartet der 115-malige Nationalspieler ebenso wie André Schürrle noch auf seinen großen Auftritt beim Turnier in Brasilien.

Nach dem bitteren WM-K.o. für Marco Reus lautete die Frage nach dem Ersatz: Podolski oder Schürrle? Die Antwort von Bundestrainer Joachim Löw sowohl gegen Portugal als auch gegen Ghana lautete jedoch: Mario Götze . Als gegen die Afrikaner beim Stand von 1:2 zwei Spezialkräfte gebraucht wurden, hießen Löws Lösungen wieder nicht Podolski und Schürrle, sondern Miroslav Klose und Schweinsteiger. Je ein Joker-Einsatz aus dem Auftaktspiel stehen bei Podolski und Schürrle in der Statistik. Das ist nicht wirklich viel.

"Das muss man den Trainer fragen. Da bin ich der falsche Mann, um mich zu fragen, warum er so gewechselt oder so aufgestellt hat", sagte Podolski nach dem 2:2 gegen Ghana . Gegen seinen früheren Förderer Jürgen Klinsmann und dessen US-Team hofft er heute in Recife (18 Uhr/ZDF ) auf Einsatzzeit. "Wir haben die Qualität, aus der Gruppe als Erster rauszukommen. Das muss das Ziel sein", sagte der Arsenal-Profi.

Beiden, Schürrle wie Podolski, fehlt im derzeit von Löw präferierten 4-3-3-System die Kombinationsfreude in vorderster Linie. Beide können aber eine enorme Wucht ins Spiel bringen, wenn sie als Joker gebracht werden. Und beide sind vor dem Tor konsequent.

"Wir müssen den letzten Abschluss, die letzten Meter effizienter machen", forderte Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff . Das könnte ein Pluspunkt für die beiden Wahl-Londoner sein. Pech war für die zwei Flügelflitzer im Turnierverlauf natürlich auch, dass Löw wegen Verletzungen von Mats Hummels (gegen Portugal ) und Jérome Boateng (gegen Ghana ) zweimal eine Wechsel-Option für die Defensive aufbrauchen musste.

"Der Bundestrainer kennt meine Stärken und auch die Stärken der anderen", erklärte Chelsea-Mann Schürrle und verwies auf die hohe Qualität des Kaders, in dem Topspieler wie Julian Draxler schon fast hinten runterfallen. "Wir sind sehr froh, dass wir so viele Optionen haben", sagte Löws Assistent Hansi Flick. Vielleicht wird ja eine gegen die USA sogar von Beginn an genutzt.

Zum Thema:

Auf einen BlickDer Weltverband Fifa wird das Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen die USA heute (18 Uhr/ZDF ) nicht intensiver auf mögliche Manipulationen untersuchen als alle anderen WM-Partien. "Jedes WM-Spiel wird genau beobachtet. Wir glauben an und vertrauen in den Gedanken des Fair Play", sagte Fifa-Sprecherin Delia Fischer gestern in Rio de Janeiro. Mit einem Remis könnten beide Teams ins WM-Achtelfinale einziehen. dpa

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