Die Frage nach dem Warum

Belgrad · Die Überraschung ist Novak Djokovic gelungen: Mit der Verpflichtung von Boris Becker sorgte der serbische Tennisstar für weltweite Aufmerksamkeit. Die braucht er auf den ersten Blick mehr als taktische Tipps.

Novak Djokovic spielte Tennis im ewigen Eis. Er kickte mit Zico und Bebeto am Zuckerhut und tanzte in Jay Lenos "Tonight Show" zu den Klängen serbischer Volksmusik. Den größten PR-Coup landete der erfolgreichste Spieler der vergangenen Jahre allerdings mit der Verpflichtung der alternden Tennis-Legende Boris Becker. Oder steckt hinter der Liaison doch mehr als schnödes Marketing?

Seit Djokovic am Mittwoch die Zusammenarbeit mit Becker bekannt gegeben hat, zermartern sich die Tennis-Experten den Kopf über das Warum. Eine Verbindung zwischen dem Weltranglistenzweiten aus Serbien und dem Lebemann aus Leimen war so unvorstellbar wie ein deutscher Wimbledonsieg vor dem Jahr 1985. Rund um die Welt reagierten die Medien mit Erstaunen und teilweise mit Unverständnis auf Djokovics Entscheidung. Der 26-Jährige hatte das Tennis-Jahr 2013 mit dem Sieg beim ATP-Saisonfinale in London glänzend beendet und keine Veranlassung erkennen lassen, etwas am Gespann mit Trainer Marian Vajda zu ändern. "Die Wahl des Serben sorgt bei den Beobachtern für hochzuckende Augenbrauen", schreibt die "Daily Mail" in England: "Wenn Boris Becker die Antwort ist, was ist dann die Frage?"

Neue Impulse wird sich Djokovic vom deutschen Tennis-Helden versprochen haben. Wohl kaum für Vorhand oder Rückhand, da ist er Becker längst überlegen. "Aber", wendet Beckers Entdecker Günther Bosch ein: "Er kann ihm sportlich viel beibringen. Er kann ihm beibringen, dass verloren geglaubte Spiele noch lange nicht verloren sind. In diesem Punkt war Boris einmalig."

Taktisch könne Becker Djokovic vermitteln, die Ballwechsel früher zu beenden, "wichtige Punkte werden nicht durch Fehler des Gegners, sondern durch Mut und das eigene Können entschieden", sagt Bosch: "Djokovic ist ein idealer Spieler, der weit hinter der Grundlinie steht, vielleicht sogar etwas zu weit. Er wird jetzt nicht sofort bei Breakball gegen sich Aufschlag-Volley spielen, aber manchmal ist es wichtig, den Gegner zu überraschen."

Das ist Djokovic mit dem Becker-Coup schon vor der Saison vortrefflich gelungen. Die Schlagzeilen, die aus seiner Sicht trotz aller Erfolge zu oft Roger Federer oder Rafael Nadal bestimmen, gehören nun Djokovic. Ab den Australian Open im Januar werden die Kameras jeden Schritt des ungleichen Duos verfolgen, und Djokovic endlich die Aufmerksamkeit bescheren, die er seiner Meinung nach längst verdient hat. Erst dann wird sich zeigen, welche Frage Djokovic Boris Becker wirklich gestellt hat.

Zum Thema:

Auf einen BlickInternationale Pressestimmen zum Duo Becker/Djokovic:New York Times: "Coaching ist eine interessante Wendung in der Karriere des sprunghaften Becker."Gazzetta dello Sport: "Becker und Djokovic - ein komisches Duo. Schüler und Coach sind sehr verschieden, auch als Menschen." Tuttosport: "Wer hilft wem? Wer lernt von wem? Es ist schwierig, Kontaktpunkte zwischen diesen beiden großartigen Tennisspielern zu finden."Daily Mirror: "Der Deutsche wird helfen, die Titel in Wimbledon zurückzuholen."L'Equipe: "Becker-Djokovic - es wird Boom machen!" sid

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort