Formel 1 Die fetten Jahre sind offenbar vorbei

Baku · Mercedes ist in den ersten drei Saisonrennen in der Formel 1 sieglos geblieben. Folgt in Aserbaidschan die Wende?

 Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff (links) und Rennfahrer Lewis Hamilton wissen nicht so recht, ob sie die Wende in dieser Formel-1-Saison noch hinkriegen. Die bisherige Bilanz ist enttäuschend.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff (links) und Rennfahrer Lewis Hamilton wissen nicht so recht, ob sie die Wende in dieser Formel-1-Saison noch hinkriegen. Die bisherige Bilanz ist enttäuschend.

Foto: dpa/Jens Büttner

Die Dominanz bröckelt, doch Lewis Hamilton hat noch immer diesen einen Traum. Er will eine Ära prägen. „Ich will dabei sein, wenn Mercedes zum erfolgreichsten Team der Formel-1-Geschichte wird“, sagt der Engländer. Vier Mal in Folge stellten die Silberpfeile nun bereits den Weltmeister und holten auch den Konstrukteurstitel. Nur Ferrari reihte in den erfolgreichen Michael-Schumacher-Jahren noch mehr Triumphe aneinander. „Ich will das jetzt so weit treiben wie möglich“, sagt Hamilton: „Damit es für jeden, der nach uns kommt, eine hohe Hürde wird.“

Nach Jahren der Dominanz ist dieser Plan in den vergangenen Wochen allerdings bedenklich ins Wanken geraten. Vor dem vierten Saisonrennen an diesem Sonntag in Baku (14.10 Uhr/RTL) ist Mercedes das einzige Topteam ohne Sieg – eine solche Durststrecke hatte es für die Silbernen seit der Einführung der Turbo-Hybridmotoren 2014 noch nie gegeben.

Doch die Gegner sind nun aus eigener Kraft siegfähig, vor allem Ferrari mit WM-Spitzenreiter Sebastian Vettel, aber auch Red Bull Racing. Mercedes sei momentan nur das „zweit- oder drittschnellste Team“, stellt Hamilton fest, und der Trend seit dem Saisonstart in Australien sorgt nicht für Optimismus. „Wir haben seit Melbourne Leistung verloren“, findet der Weltmeister.

Nicht wenige sehen im Frühjahr 2018 daher bereits den Anfang vom Ende der Mercedes-Dominanz. „Das ist der Wendepunkt“, sagt etwa Ex-Weltmeister Damon Hill: „Wir haben Mercedes so lange an der Spitze gesehen. Aber Weltreiche entstehen und fallen. Vielleicht beginnt gerade eine neue Ferrari-Ära.“

Hinweise darauf gibt es. Der große Motorenvorteil für Mercedes, der die ersten Jahre der Turbo-Hybrid-Ära prägte, ist dahin. Ferrari hält Schritt, und auch Red Bulls Motorenpartner Renault hat sein Tief überwunden. Viel entscheidender ist aber, dass Mercedes zuletzt das eigene Auto nicht im Griff hatte. Die Divenhaftigkeit des Silberpfeils, die in den vergangenen Jahren nur vereinzelt zum Vorschein kam, ist in dieser Saison bislang das leidige Dauerthema.

Schon lange waren die Hinterreifen vor allem bei Hitze der neuralgische Punkt, nun hat das Werksteam aber bei verschiedensten Bedingungen Probleme, die neuen Pirelli-Pneus auf Betriebstemperatur zu bringen – mal ist die Strecke zu warm, mal zu kalt. „Eine unendliche Geschichte“, sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Hamilton, der wie Vettel in diesem Jahr nach seinem fünften WM-Titel greift, ist in dieser Sache als Pilot beinahe machtlos. Und drängt nun auch öffentlich auf Verbesserungen. „Konstruktiver Druck auf die Jungs“ in der Fabrik sei notwendig, sagt der 33-Jährige. Er treibe die Chefetage und die Technikabteilung an, „damit sie wissen, mit welchen Bereichen des Autos wir die meisten Probleme haben, damit sie Druck in diesen Abteilungen ausüben und neue Entwicklungen vorantreiben können“.

Glaubt man Ex-Weltmeister Hill, dann könnte die aktuelle Schwächephase sogar ein Grund dafür sein, dass Hamilton seinen Vertrag bei Mercedes immer noch nicht verlängert hat. Dies ist allerdings unwahrscheinlich. Hamilton fehlen vielmehr die hochkarätigen Alternativen, zudem konnte er sich bislang stets auf die Fähigkeiten des Werksteams verlassen.

Und Hamilton hat ja noch große Ziele mit den Silberpfeilen. Doch mit jedem weiteren Rennen wächst derzeit der Frust, die Enttäuschung und vor allem die Erkenntnis, dass die fetten Jahre zu sein scheinen. „Solche desaströsen Wochenenden wie zuletzt kann ich mir nicht mehr erlauben“, sagt Hamilton und versprüht zumindest ein wenig Optimismus: „Das Team hat über die vergangenen Jahre aber bewiesen, dass wir großartig darin sind, zueinanderzustehen und hart zu arbeiten.“

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