Die ersten Sportler haben schon Gewissheit

Der Empfang war riesig, "100 Leute sind an die Sportschule gekommen. Freunde, Familie, Sportler", erinnert sich Andreas Waschburger. Ein ungewohntes Bild für den Freiwasserschwimmer, als er von der WM in Shanghai Ende Juli zurück nach Saarbrücken kam

Der Empfang war riesig, "100 Leute sind an die Sportschule gekommen. Freunde, Familie, Sportler", erinnert sich Andreas Waschburger. Ein ungewohntes Bild für den Freiwasserschwimmer, als er von der WM in Shanghai Ende Juli zurück nach Saarbrücken kam. Die Begrüßung hatte einen guten Grund: Waschburger hatte mit seinem zehnten Platz bei der WM als erster Athlet aus dem Saarland das Ticket zu den Olympischen Spielen gelöst, die vom 27. Juli bis 12. August 2012 in London stattfinden. "Ich muss die ganze Zeit daran denken", freut sich der 24-Jährige über diese Sensation, die Gewissheit, dass er dabei sein wird.Von Gewissheit können viele Athleten derzeit nur träumen. Die meisten Wege, die nach London 2012 führen, sind vielseitig und teilweise langwierig. Manche Sportler haben es immerhin noch selbst in der Hand, möglichst frühzeitig den Sack zuzumachen. Wie die Leichtathleten. Erfüllen sie in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 8. Juli 2012 die A-Norm, sind sie "reif für die Insel", das Motto unserer neuen Serie hinführend zu den Spielen. Pro Disziplin dürfen bei den Leichtathleten allerdings maximal drei Sportler zu Olympia.

So wie bei den Triathleten. Jan Frodeno, Steffen Justus und Anja Dittmer, die gestern von Gerd Meyer, dem Präsidenten des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS), empfangen wurden, haben die Qualifikation am vergangenen Wochenende geschafft. Drei weitere Plätze, zwei bei den Frauen und einer bei den Männern, werden 2012 vergeben.

Etwas begrenzter ist der Weg in anderen Sportarten. Die deutsche Frauenhandball-Nationalmannschaft mit der Homburgerin Laura Steinbach beispielsweise kann sich nur über die Weltmeisterschaft (3. bis 16. Dezember in Brasilien) für 2012 qualifizieren: Wird sie unerwartet Weltmeister, ist das Ticket direkt gelöst. Wird sie mindestens Siebter, kann sie an einem von drei Ausscheidungsturnieren teilnehmen, die Ende Mai ausgetragen werden. Ähnlich wie den Handballerinnen geht es auch den Ringern, den Turnern und den Mädchen der Rhythmischen Sportgymnastik. Bei allen sind die Weltmeisterschaften der Haupt-Qualifikationsweg (Ringen: 12. bis 18. September in Istanbul, Rhythmische Sportgymnastik: 18. bis 25. September in Montpellier, Turnen: 7. bis 16. Oktober in Tokio) - weitere Quali-Wettkämpfe finden ab Anfang 2012 statt. Klingt nach einer langen Zeit voll Ungewissheit.

Aber wenigstens würden diese Athleten zum Großteil persönliches Startrecht besitzen. Nicht wie die Ruderer. Mit dem Erreichen des A-Finals bei der WM in Bled (28. August bis 4. September) sichern sie nur einen Quotenplatz - also ein Startrecht für ihre Nation, nicht für sich selbst. "Wer namentlich startet, legen wir zeitnah zu Olympia erst 2012 fest", erklärt der Bundestrainer und Stützpunkttrainer in Saarbrücken, Uwe Bender: "Diejenigen, die eine Medaille bei der WM gewinnen, haben aber gute Chancen, in London dabei zu sein."

Nicht nur auf einen Qualifikationswettkampf dürfen sich die Badminton-Spieler konzentrieren: Sie müssen konstant starke Leistung bringen, um auf die Insel fliegen zu dürfen. Ausschlaggebend ist der Stand der Weltrangliste vom 3. Mai 2012. Je nach Platzierung können im Einzel bis zu drei, im Doppel maximal zwei Starter an Olympia teilnehmen. Die Radsportler ziehen ebenfalls den Ranglistenstand (Stichtag: 28. Mai 2012) vor.

Noch ein Stück kreativer wird es bei den Tischtennisspielern. Deren Qualifikation setzt sich nämlich aus einer Mischung zwischen Rangliste und Wettkampf zusammen. Dementsprechend haben sich Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov ihr Ticket durch ihre Weltranglistenplatzierungen nach der WM bereits gesichert. Ein dritter Spieler für den olympischen Mannschaftswettkampf kann sich allerdings nur über eines von zwei Quali-Turnieren im April und Mai 2012 den Weg nach London ebnen. Bastian Steger vom 1. FC Saarbrücken hat gute Chancen: Er zeigte in den vergangenen Wettkämpfen starke Leistungen und kletterte in der Rangliste von Platz 23 auf 19. Ungewiss ist seine Teilnahme dennoch. Monatelang.

Dass Gewissheit manchmal nicht gut tut, zeigt das Beispiel von Dzsenifer Marozsan. Die saarländische Fußballerin, die beim 1. FFC Frankfurt spielt, zog sich vor drei Monaten im Training einen Innenbandriss zu. Die WM im eigenen Land war für sie gestorben. Und: Durch das überraschende Viertelfinal-Aus der deutschen Nationalmannschaft musste sie zuschauen, wie das Team die Olympia-Qualifikation verpasste. Jetzt hat Marozsan die Gewissheit, nicht dabei zu sein. Obwohl sie sicherlich Chancen gehabt hätte, es 2012 in die Mannschaft zu schaffen. Da ist ein bisschen Ungewissheit doch gar nicht mehr so schlecht.

"Ich muss

die ganze Zeit daran denken."

Andreas Waschburger

über sein Ticket

für Olympia 2012

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