Die EM-Wundertüte

Düsseldorf. Reform oder Reinfall: Bei der Premiere der Mannschafts-EM werden die Leichtathleten zu "Versuchskaninchen" einer wahren Regel-Revolution

Düsseldorf. Reform oder Reinfall: Bei der Premiere der Mannschafts-EM werden die Leichtathleten zu "Versuchskaninchen" einer wahren Regel-Revolution. "Die EM ist durch die Änderungen eine Wundertüte, bei der wir einige Überraschungen erleben werden", sagte Rüdiger Harksen, Cheftrainer Lauf des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), vor dem europäischen Prestigekampf am Wochenende in Leiria/Portugal. "Man kann streiten, ob eine Team-EM der richtige Platz für solche Experimente ist. Doch wir kommen aus der Nummer nicht heraus."

48 Aktive gingen gestern auf die Reise, um in Portugal für den DLV gegen elf Nationen anzutreten - darunter auch Weitspringerin Bianca Kappler (LC asics Rehlingen) und 400-Meter-Läufer Simon Kirch (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken). "Wir wollen auf das Treppchen kommen", sagte Harksen. Durch die neue Regelung, dass Männer und Frauen zusammen gewertet werden, dürfte Russland nicht zu schlagen sein. Für den DLV ist die neue EM zwei Monate vor der Heim-WM in Berlin ein wichtiger Härtetest. "Die EM soll das Wir-Gefühl stärken und die Athleten auf Berlin einschwören", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop. "Wir haben eine richtig gute Mannschaft beisammen und wollen in Leiria dort weitermachen, wo wir bei der Hallen-EM in Turin aufgehört haben", meinte DLV-Sportdirektor Jürgen Mallow. Unterm Dach hatten die deutschen Athleten Anfang März zehn EM-Medaillen geholt.

Mallow: "Hirnrissig"

Drastisch urteilt Mallow über die Regelreform, mit der mehr Attraktivität für Zuschauer und Fernsehen geschaffen werden soll. Für ihn wird dagegen vor allem der Ausgang in den technischen Disziplinen zum Glücksspiel. "Hirnrissig ist die Regeländerung mit vier Fehlversuchen beim Hochsprung und Stabhochsprung", schimpfte er. Nach insgesamt vier Fehlversuchen muss ein Teilnehmer ausscheiden.

Mit einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Sarkasmus kommentierte Ariane Friedrich, der am Sonntag mit 2,06 Meter ein neuer deutscher Hochsprung-Rekord gelungen war, das Novum. "Ich habe in Berlin nur wenige Versuche gemacht. Das war eine gute Vorbereitung auf die Team-EM." Zur Straffung des Zeitplans gibt es in den vier Wurfdisziplinen sowie im Weit- und Dreisprung maximal vier Versuche. Außerdem scheiden nach zwei Versuchen die sechs schlechtesten Teilnehmer aus und nach dem dritten Versuch zwei Weitere.

Bei den Sprints führt jeder Fehlstart zur Disqualifikation. "Für die Zuschauer wird das natürlich spannender: Der Erste fliegt!", sagte Sprinter Stefan Schwab, der die alte Regel besser findet. "Nach dem ersten Fehlstart ist man vorgewarnt. Ein Fußballer geht nach dem ersten Foul auch nicht mehr mit gestrecktem Bein rein", argumentiert Schwab. Dass die DLV-Athleten deswegen mit angezogener Handbremse an den EM-Start gehen, hält Harksen für kein Erfolgsrezept: "Wir werden den Athleten nicht raten, vorsichtig zu sein, sondern offensiv damit umzugehen."

Auf Einen Blick

Bei der ersten Mannschafts-EM der Leichtathleten wird es neue Wettkampfregeln geben:

- Jeder Athlet, der einen Fehlstart verursacht, wird sofort disqualifiziert.

- Bei den Langstrecken werden je drei Athleten aus dem Rennen genommen - der Letzte nach den Runden drei, vier und fünf (3000 und 3000 Meter Hindernis) sowie nach den Runden drei, fünf und sieben (5000 Meter).

- In den vier Wurfdisziplinen sowie im Weit- und Dreisprung gibt es maximal noch vier Versuche. Nach zwei Versuchen scheiden die sechs schlechtesten aus, nach dem dritten Versuch zwei weitere. Am Ende ermitteln noch die vier besten Athleten den Sieger.

- Im Hoch- und Stabhochsprung haben die Teilnehmer nur vier Fehlversuche. dpa

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