Die Elite des MädchenfußballsImmer neue NationalspielerinnenKratz: "Unsere Trainer machen einen echt guten Job"

Saarbrücken. In einem Internet-Lexikon heißt es: "Elite bezeichnet eine Gruppierung überdurchschnittlich qualifizierter Personen (Funktions-, Leistungseliten) oder die herrschenden beziehungsweise einflussreichen Kreise (Machteliten) einer Gesellschaft

 Donnerstagmorgen, 7.45 Uhr, Sportschule Saarbrücken: Die Eliteschülerinnen wärmen sich für das Training auf. Fotos: Ruppenthal

Donnerstagmorgen, 7.45 Uhr, Sportschule Saarbrücken: Die Eliteschülerinnen wärmen sich für das Training auf. Fotos: Ruppenthal

Saarbrücken. In einem Internet-Lexikon heißt es: "Elite bezeichnet eine Gruppierung überdurchschnittlich qualifizierter Personen (Funktions-, Leistungseliten) oder die herrschenden beziehungsweise einflussreichen Kreise (Machteliten) einer Gesellschaft." Den Anspruch, zur saarländischen Machtelite zu gehören, können die Schülerinnen der Saarbrücker Eliteschule des Mädchen- und Frauenfußballs sicher nicht für sich beanspruchen. Dafür passt der erste Teil der Definition umso besser: Die derzeit 21 Schülerinnen der offiziell im August 2007 ins Leben gerufenen Institution des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) dürfen sich ohne Vorbehalte als "überdurchschnittlich qualifizierte" Fußballerinnen verstehen.Die Leiterin der Eliteschule und Verbandssportlehrerin des Saarländischen Fußball-Verbands (SFV), Margret Kratz, war früher selbst Nationalspielerin. Sie hat das Konzept für die Eliteschule entwickelt und das erklärte Ziel, Spielerinnen aus dem Saarland und den Nachbarländern zu Nationalspielerinnen auszubilden. Und nicht nur das: "Wir wollen diese Talente so stabilisieren, dass sie über Jahre hinweg die Jugend-Nationalmannschaften des DFB durchlaufen und nicht nach einem Einsatz wieder weg vom Fenster sind. Dafür versuchen wir, sie möglichst bis zum 19. Lebensjahr hier zu behalten", erklärt Kratz die Zielsetzung der Einrichtung, die vor etwa dreieinhalb Jahren als zweite Eliteschule in Deutschland nach Potsdam zertifiziert wurde. Mittlerweile gibt es Eliteschulen des Mädchen- und Frauenfußballs auch in Bad Neuenahr, Freiburg und Jena.

Im Saarland tragen neben dem SFV und dem Träger DFB weitere Kooperationspartner zum Funktionieren dieser Spitzen-Talentförderung bei: der Landessportverband für das Saarland, die Partnerschulen Gymnasium am Rotenbühl, Gesamtschule Rastbachtal, Erweiterte Realschule Güdingen und die Wirtschaftsschulen Saarbrücken sowie die Vereine 1. FC Saarbrücken, SV Bardenbach, FSV Jägersburg und SV Dirmingen. "Man muss ganz klar sagen, dass die Eliteschule nur durch die tolle Zusammenarbeit mit unseren Partnern überhaupt funktionieren kann", findet Kratz lobende Worte und nennt stellvertretend Ulrike Kleer, Schulleiterin der Gesamtschule Rastbachtal, und Lothar Altmeyer, Studiendirektor des Gymnasiums am Rotenbühl.

Welche Zugeständnisse die Partnerschulen den talentierten Fußballerinnen machen, wird deutlich, wenn man sich das Trainingsangebot vor Augen führt: "Wir bieten den vier Gruppen insgesamt fünf Doppelstunden an, davon finden vier vormittags während der regulären Schulzeit statt. Die Spielerinnen werden von ihren Schulen dafür freigestellt", erklärt Kratz. Dabei steht für jede Eliteschülerin einmal pro Woche Athletik-Training und eine fußballspezifische Einheit mit technisch-taktischen Inhalten auf dem Plan. Zusätzlich gibt es mittwochs eine Einheit mit variierendem Inhalt - derzeit betreut Micah Dahlem die Mädchen beim Hantel-Training.

Wie in der "normalen" Schule werden die Fußballerinnen auch in der Eliteschule getestet. Allerdings gibt es keine schriftlichen Überprüfungen, sondern zwei Mal jährlich einen allgemeinen sportmotorischen und einen sportmedizinischen Test. Die Gefahr, dass Spielerinnen durch das intensive Training den Spaß am Fußball verlieren oder gar überfordert würden, sehen weder Margret Kratz noch Eliteschul-Koordinator Oliver Dillinger. Die räumliche Nähe der Sportschule zu den Partnerschulen ist ohnehin ein Vorteil, den auch die ehemalige Bundestrainerin Tina Theune-Meyer jüngst in einer Analyse über die saarländische Eliteschule formulierte. "So wird eine vermeintliche Schwäche, nämlich die Größe des Saarlandes, zu einer Stärke. Die kurzen Wege machen es den Schülerinnen einfacher und sind ein Grund, weshalb viele weiter zu Hause wohnen können", erklärt Oliver Dillinger. Derzeit leben sieben der 21 Eliteschülerinnen im Internat, der Rest pendelt und wohnt noch bei den Eltern.

Das familiäre Umfeld könnte für die Schülerinnen also ein entscheidender Vorteil für ihre sportliche Entwicklung sein. Wenn diese dank der engmaschigen Zusammenarbeit die schulische Entwicklung nicht behindert, könnte den top-ausgebildeten Spielerinnen nach dem Sprung in die Fußball-Elite vielleicht auch der Sprung in die "einflussreichen Kreisen der Gesellschaft" gelingen.

Saarbrücken. Dass die Arbeit von Margret Kratz und Co. Früchte trägt, beweist die Zahl der Nationalspielerinnen, die über die Eliteschule den Sprung in eine Juniorinnen- oder die A-Nationalmannschaft geschafft haben. Zu Einsätzen in der letzteren kamen schon die ehemaligen Eliteschülerinnen und jetzigen Bundesliga-Spielerinnen Nadine Kessler und Josephine Henning (Turbine Potsdam, beide nächste Saison bei VfL Wolfsburg), und Dzsenifer Marozsan (1. FFC Frankfurt). Davon stehen mit Henning und Marozsan zwei Spielerinnen im vorläufigen Kader für die WM 2011 in Deutschland.

In Jugend-Nationalmannschaften kamen des Weiteren Romina Holz (1. FC Saarbrücken), Lisa Schwab (Bayer Leverkusen) und Selina Wagner (VfL Wolfsburg) zum Einsatz. Die aktuellen Jugend-Nationalspielerinnen - sie kommen alle vom FCS - heißen Laura Vetterlein (U19, wechselt nach Wolfsburg), Jacqueline De Backer, Elisabeth Scherzberg und Saskia Toporski (alle U16) sowie Jana Schwarz (U15). Zudem gehören mit Madita Giehl (U16) und Jannika Kowatzki (U15) zwei Spielerinnen zum erweiterten Kader ihrer Jahrgänge. Mit Nina Rauch, Julia Koch, Alessia Jochum (alle FCS) und Fabienne Hissler (Bardenbach) befinden sich vier weitere in Sichtungs-Maßnahmen des DFB und haben laut Kratz die "Perspektive nach oben".

"Ich bin stolz, dass wir mit Toporski, De Backer, Giehl und Scherzberg erstmals vier Nationalspielerinnen aus einem Jahrgang in einer Mannschaft haben. Für das kleine Saarland ist das schon toll, und so etwas schafft man nur mit einer Eliteschule", sagt Kratz. zenSaarbrücken. So, wie eine konventionelle Schule Lehrer braucht, braucht eine Eliteschule des Mädchen- und Frauenfußballs Trainer. Und zwar am besten solche, die gut mit leistungsorientierten und noch heranwachsenden Mädchen und jungen Frauen umgehen können. Mit Oliver Dillinger, Kai Klankert und Benjamin Heinrichs hat Margret Kratz die richtigen für diesen Job gefunden. Hinzu kommt mit Marion Zapp eine Springerin, die in Aktion tritt, wenn einer der genannten ausfällt. Außerdem gibt es periodisch wechselnde Trainer in einer alternativen Sportart. Derzeit ist dies Micah Dahlem, der das Hantel- und somit Krafttraining der Eliteschülerinnen leitet. Laut Kratz kann diese Aufgabe in Zukunft durchaus auch von einem "Badminton- oder Tischtennistrainer übernommen" werden.

"Mit der Arbeit der Trainer bin ich absolut zufrieden. Die machen alle einen echt guten Job. Sie bringen eine große Selbstdisziplin mit, sind pünktlich und leben ihre Vorbildfunktion aus", gerät Kratz fast ins Schwärmen, wenn sie von ihren Kollegen spricht, und ergänzt: "Sie sind alle fachlich gut, können mit den Spielerinnen umgehen und verkörpern die Philosophie des SFV und des DFB."

Dabei sind allesamt nicht nur für die Eliteschule im Einsatz, sondern auch für Vereine zuständig. Bis auf Springerin Marion Zapp, die mit dem SV Dirmingen II eine aktive Frauenmannschaft trainiert, ist nur Kai Klankert mit einer Mädchenmannschaft betreut. Er trainiert die B-Juniorinnen des 1. FC Saarbrücken in der Regionalliga Südwest. Kurios: Die von Klankert trainierten Kader beim FCS und seiner Eliteschul-Gruppe unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung nur marginal. Dillinger ist Trainer bei der JFG Saarlouis (B-Junioren, Regionalliga) und Heinrichs bei der JFG Saarschleife (A-Junioren, Regionalliga). Dillinger, gleichzeitig Koordinator der Eliteschule, ist laut Margret Kratz "so etwas wie der Haupt-Trainer": Er betreut drei Gruppen und ist als Athletiktrainer tätig. Abgerundet wird die fachliche Betreuung durch professionelle sportmedizinische Begleitung und - für eine solche Eliteschule laut Kratz "außergewöhnlich" - eine psychologische Beratung.

"Die Anzahl der Trainer ist ausreichend. Ich selbst bin ja auch noch da und gehe mindestens einmal im Monat ins Training und mache im Rahmen der Trainer-Aus- und Fortbildung Einheiten mit den einzelnen Gruppen", erklärt Kratz. Die Trainer, die ihr in der Eliteschule zuarbeiten, hat sie auch alle selbst ausgebildet. Sie alle haben ihre C-Lizenz bei Kratz gemacht. zen

Auf einen Blick

Alle Spielerinnen der Eliteschule des Mädchen- fußballs: Christina Arend (Jahrgang 1986), Sarah Karnbach (1988), Christina Ehl (1990), Maike Trach (1991), Laura Vetterlein (1992), Nina Rauch (1992), Julia Koch (1994), Saskia Toporski (1994), Lena Butler (1994), Elisabeth Scherzberg (1994), Madita Giehl (1994), Jacqueline De Backer (1994), Alessia Jochum (1995), Mira Rupprecht (1995), Jana Schwarz (1996), Fabienne Hissler (1996), Jannika Kowatzki (1996), Sarah Franz (1996), Denise Fleischmann (1997), Kim Fellhauer (1998), Larissa Theil (1998). zen

Hintergrund

 Micah Dahlem (links) zeigt Julia Koch die richtige Haltung.

Micah Dahlem (links) zeigt Julia Koch die richtige Haltung.

 Lagebesprechung vor dem Training: Margret Kratz (Zweite von links) bespricht die Trainingsinhalte mit den Trainern Marion Zapp, Oliver Dillinger und Kai Klankert (von links).

Lagebesprechung vor dem Training: Margret Kratz (Zweite von links) bespricht die Trainingsinhalte mit den Trainern Marion Zapp, Oliver Dillinger und Kai Klankert (von links).

Mit der Erstellung eines Wertekatalogs durch Oliver Dillinger wurde ein Vorschlag der ehemaligen Bundestrainerin Tina Theune-Meyer in die Tat umgesetzt. Weitere Ziele, die Margret Kratz und Oliver Dillinger derzeit für die Eliteschule verfolgen, sind: Eine enge Kooperation mit dem 1. FC Saarbrücken als klassenhöchsten saarländischen Verein, eine engere Kommunikation zwischen allen Trainern der Eliteschülerinnen und die Einführung eines Trainingsbuchs, das Spielerinnen selbst führen, sowie eines Athletikhefts, das von den Trainern geführt wird. zen

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