Die eigene Liga ist das Problem

Manchester · England ist zum ersten Mal seit 56 Jahren wieder in der WM-Vorrunde gescheitert. Die eigene Premier League wird für die Misere der Nationalmannschaft verantwortlich gemacht. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Der Empfang war der Gesamtsituation des englischen Fußballs angemessen. Auf dem Flughafen von Manchester standen bei der Ankunft der Nationalmannschaft aus Brasilien eine Hand voll Sicherheits-Mitarbeiter, mehr nicht. Ein trostloser Anblick. "Es tut uns sehr leid für die Fans, die so viel von uns erwartet haben", sagte Nationaltrainer Roy Hodgson, der aller Voraussicht nach im Amt bleiben wird: "Wir werden uns bemühen, bis 2016 vieles besser zu machen."

Es ist ein Versprechen, das Hodgson wohl nicht halten kann. Eine Rückkehr der Engländer in die Weltspitze hält er selbst erst bei der EM 2020 für realistisch, nachdem England nach zwei Viertelfinal- und einer Achtelfinalteilnahme bei den vergangenen drei Weltmeisterschaften in Brasilien zum ersten Mal seit 56 Jahren in der Vorrunde gescheitert ist. "Wir hoffen nur, dass die nächsten zwei, vier bis sechs Jahre einige Dividende bringen werden", erklärte Hodgson: "Wir schaffen es nicht mehr weiterzukommen, aber wir versuchen, das Potenzial der Talente zu nutzen. Wir können nur darauf hoffen, dass sich diese Arbeit auszahlt, wenn diese Spieler ihre besten Jahre im Alter von 28 oder 29 erreichen."

Echte Zuversicht klingt anders, und das hat auch seinen Grund. Hodgson selbst rät den jungen englischen Spielern inzwischen offen zum Wechsel ins Ausland. "Es wäre positiv, sollten sie nicht die Chance bekommen, in der Premier League zu spielen. Wenn sie ein gutes Team im Ausland finden, wo sie regelmäßig spielen, wäre das sehr gut", sagte er und spricht damit das Hauptproblem des englischen Fußballs an - die Premier League .

"Das größte Problem ist diese Liga", schimpft etwa der frühere Stürmer Chris Waddle: "Sie haben ein Produkt, das sie rund um die Welt verkaufen wollen. Es ist unterhaltsam, aber es tut unseren Spielern nicht gut." In der ersten Saison des Premiumprodukts 1992/1993 standen noch 69 Prozent englische Spieler in den Startformationen, zuletzt war es weniger als ein Drittel. Für Verbandschef Greg Dyke ein "alarmierender und beängstigender Trend".

Schon vergangenes Jahr hatte Dyke deutlich auf die Missstände aufmerksam gemacht - eine Debatte, die nah an der Grenze zur Fremdenfeindlichkeit geführt wird. "Wenn die Clubs deiner Topliga weitgehend von Ausländern besetzt und ausländischen Trainern trainiert werden, warum sollten sich die, die die Kontrolle haben, um die Entwicklung des englischen Teams kümmern?", fragte Dyke rhetorisch.

Und so schickte Hodgson in Brasilien zahlreiche Akteure auf die größte Fußball-Bühne, die in der europäischen Königsklasse nicht mal eine Nebenrolle innehaben. Nur vier Spieler aus der Startelf der Partie gegen Uruguay (1:2) standen in den vergangenen beiden Jahren zu Beginn einer Champions-League-Partie auf dem Platz. Bei Deutschland ist das Gegenmodell: Alle Akteure der Startelf im Spiel gegen Portugal (4:0) und dem gegen Ghana (2:2) erreichten in dieser Saison mit ihren Clubs sogar mindestens das Achtelfinale.

Es müsse ein System geben, dass 19-Jährigen, die in der ersten Mannschaft von Arsenal, Chelsea oder Manchester United keine Chance haben, regelmäßig Spielpraxis verschaffe, fordert Hodgson. B-Teams in einer eigenen Liga, Beschränkung der Nicht-EU-Spieler in der Premier League - diese Vorschläge wurden von den Liga-Verantwortlichen abgelehnt. Und so drohen dem englischen Fußball weitere trostlose Empfänge in der Heimat.

saarbruecker-zeitung.de/

wm2014

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