Formel 1 Die Diva rückt immer näher an die rote Göttin heran

Silverstone · Nach Silverstone liegt Formel-1-Star Sebastian Vettel im WM-Kampf nur noch einen Punkt vor Lewis Hamilton. Der beherrscht sein Auto immer besser.

Nach dem Frust-Reifenplatzer von Silverstone schaltete Sebastian Vettel umgehend in den Zuversichtsmodus. Dass der viermalige Formel-1-Weltmeister nach dem Großen Preis von Ungarn in nicht mal zwei Wochen erstmals in diesem Jahr nicht die WM anführen könnte – Vettel verschwendete daran keine Gedanken. „Wir sind auf dem richtigen Weg, unser Auto ist gut, unser Auto ist stark“, betonte der 30-Jährige, während er einen eigentlich recht entspannten Eindruck im Motorhome seines Arbeitgebers Ferrari hinterließ. Trotz Platz sieben nach dem kaputten Reifen gegen Renn-Ende beim Großen Preis von Großbritannien und der auf einen Punkt geschmolzenen Führung im Klassement vor Silverstone-Seriensieger Lewis Hamilton.

Vettel konnte sogar schon wieder lachen und scherzen. Als Eddie Jordan, Ex-Teamchef und Fahrerlager-Kultfigur in die Medienrunde platzte und sich dicht neben Vettel postierte, scherzte der Deutsche: So nah seien sie sich sonst noch nie gekommen.

Nah an Hamilton war Vettel diesmal nicht. Der Brite fuhr bei seinem Heim-Grand-Prix mal wieder in einer eigenen Liga, holte die 67. Pole seiner Karriere – Michael Schumachers Rekord liegt bei 68 –, gewann zum fünften Mal insgesamt und vierten Mal nacheinander in Silverstone. Unberührt von der Kritik an seinem Kurzurlaubs-Partytrip nach Mykonos zur Vorbereitung schaffte er den Grand Slam: Sieg, Pole, schnellste Rennrunde. „Es ist ein Segen, so fahren zu können“, sagte Hamilton und wirkte auch Stunden danach regelrecht beseelt. Als Erleichterung empfand er den 57. Sieg seiner Laufbahn nach zwei schweren Grand-Prix-Wochenenden in Baku (5.) und Spielberg (4.) aber ausdrücklich nicht.

Es scheint, dass Hamilton und Mercedes den Wagen für diese Saison immer besser beherrschen und verstehen. „Als die Saison angefangen hat, war es ein bisschen komplizierter, mit diesem Auto richtig umzugehen“, meinte Hamilton. Teamchef Toto Wolff hatte den Silberpfeil sogar als Diva bezeichnet. Vettels rote Göttin gab sich hingegen von Beginn an umgänglicher: drei Siege in den ersten sechs Rennen. Seit Monaco wartet der Heppenheimer aber auf den vierten Saisonerfolg. „Es ist wahrscheinlich wahr, dass Mercedes in den vergangenen Rennen ein bisschen stärker war“, sagte Vettel.

Trend, Tendenz oder nur Momentaufnahme? Ist der Mercedes mittlerweile wieder das schnellste Auto im Feld? „In dem Moment, in dem du das sagst, fährst du zum nächsten Rennen und kriegst einen ins Gesicht“, meinte Wolff. Dennoch: Drei Siege feierte das deutsche Werksteam gegen den italienischen Traditionsrennstall in den vergangenen vier Rennen. Hamiltons Teampartner Valtteri Bottas ist mittlerweile auch schon bis auf 23 Punkte an Vettel herangekommen.

Für den Mercedes spricht die Kraft des Motors. Auf der Geraden nimmt er Ferrari drei bis sechs Zehntelsekunden in der Qualifikation ab. Für Ferrari spricht vor allem der Speed in schnellen Kurven, in der berühmten Copse in Silverstone sei man zehn Stundenkilometer schneller gewesen als der Mercedes, rechnete Vettel vor. Allerdings nahm die rasante Fahrweise auch die Reifen richtig ran. Vettel und der drittplatzierte Teamkollege Kimi Räikkönen wurden durch einen zerstörten linken Vorderreifen gebremst. Bisher war es eher der Mercedes gewesen, der Schwierigkeiten mit den Gummis hatte.

Der Knackpunkt im Titelkampf bleibt für Vettel die Qualifikation. Nur einmal fuhr Vettel in dieser Saison auf die Pole (Russland), einmal schaffte es Räikkönen, der Rest war silbern. Zweimal Bottas, sechs Mal Hamilton. „Wenn du deine Autos in der ersten Kurve vorne hast, sieht das Rennen anders aus. Wir wissen, wo wir ansetzen müssen, es ist aber nicht einfach“, beteuerte Vettel vor dem nächsten Versuch am 31. Juli in Ungarn. In den vergangenen vier Jahren stand dort ein Mercedes auf der Pole. Und mit fünf Siegen ist Hamilton dort jetzt schon Rekordsieger.

(dpa)
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