Die deutsche Doppelspitze

Oberstdorf · Auf Severin Freund sind beim Auftakt der Vierschanzentournee heute in Oberstdorf alle Blicke der Gastgeber gerichtet. Der Profiteur des Rummels um den Weltmeister könnte Markus Eisenbichler werden.

 Markus Eisenbichler ist in dieser Saison der konstanteste deutsche Skispringer. Foto: Schmidt/dpa

Markus Eisenbichler ist in dieser Saison der konstanteste deutsche Skispringer. Foto: Schmidt/dpa

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Severin Freund im Scheinwerferlicht, Markus Eisenbichler in seinem Schatten: Die Eröffnungsparty der 65. Vierschanzentournee machte auch dem unbedarftesten Beobachter die Hackordnung in der deutschen Skisprung-Mannschaft klar. Weltmeister Freund bleibt trotz Formschwäche und Nachwehen einer Hüft-Operation im Frühjahr der Frontmann, Eisenbichler der Geheimtipp. Eine Rollenverteilung, die sich beim Auftakt heute entscheidend ändern kann.

"Wir haben nicht nur Severin. Markus kann mit den Besten mithalten. Er muss für sich erkennen: Hey, das kann ich ja auch", sagt Bundestrainer Werner Schuster. Denn während der allgegenwärtige Freund vor dem Auftakt am Schattenberg (16.45/ZDF und Eurosport) für Fans und Medien als eine Art Blitzableiter agiert, ist Eisenbichler in aller Ruhe in die Weltspitze geflogen. Fünfmal in Folge war Eisenbichler zuletzt bester deutscher Skispringer, in Lillehammer stand er erstmals auf dem Podest. "Wir lassen Markus jetzt weitestgehend in Ruhe, er hat ja auch noch keine ordentliche Tournee gesprungen. Es ist ein Reifeprozess", sagt Schuster. Erst einmal hielt Eisenbichler bis Bischofshofen durch - mehr als Platz 50. in der Gesamtwertung schaffte er nie.

Freund kommt mit der neuen Rolle gut zurecht. Er hilft Eisenbichler, wo er kann. "Nach meinem Podestplatz war Severin der Erste, der mir die Ski zusammengebunden und Fotos gemacht hat, so wie wir es immer für ihn getan haben", verrät Eisenbichler. Sein Ziel: "Ich will gut springen, aber ich mache auch nicht so ein Fass auf wie die Medien."

Und Severin Freund , der Oberstdorf-Sieger des Vorjahres? Nach seiner Ankunft im ersten Tournee-Ort stapelte der Niederbayer tief. "Der Sieg hier vor einem Jahr war eines der schönsten Erlebnisse meiner Karriere", sagte er auf der Bühne vor knapp 2000 Fans auf dem Prinzregenten-Platz, schob dann aber hinterher: "Die Vorzeichen sind diesmal anders. Es fehlt noch etwas."

Noch immer spürt Freund die Folgen seiner Operation im Frühjahr, doch an einem perfekten Tag wie zuletzt beim Weltcup-Auftakt in Kuusamo sind Siege durchaus möglich. "Ich würde ihn nicht abschreiben, da kann schon was kommen", sagt Schuster: "Eine seiner großen Stärken ist, dass er nie seinen Emotionen den Vorrang gibt und alles in einer nüchternen Art bewertet."

Freund nennt als Favoriten lieber den erst 17 Jahren alten Domen Prevc aus Slowenien oder Doppel-Olympiasieger Kamil Stoch aus Polen. "Domens Flugsystem ist außergewöhnlich, aber auch außergewöhnlich effektiv. Das kann ihm auf den Tourneeschanzen helfen", sagt er. Doch auch Stoch sei "sehr heiß, um bei der Tournee beweisen zu können, was er drauf hat".

Und er selbst? Ganz abgeschrieben hat Freund sich noch nicht, auch wenn er seine Sätze mit Bedacht formuliert. "Manchmal kann es im Skispringen ganz schnell gehen", sagt der Frontmann der deutschen Mannschaft, der auf "seiner" Schanze in Oberstdorf schon fast 2000 Sprünge absolviert hat. "Ich will die Tournee nutzen, damit meine Sprünge besser werden. Und dann schauen wir mal, was für ein Ergebnis rauskommt. Das hat meistens in meiner Karriere ganz gut funktioniert." Seit 1953 zieht die Vierschanzentournee Millionen von Skisprung-Fans in ihren Bann. Die deutsch-österreichische Traditionsveranstaltung steigt bereits zum 65. Mal.

Die Schanzen

Los geht's auf der Schattenbergschanze in Oberstdorf . Sie wurde 2003 erbaut und fasst 24 000 Zuschauer. Den Schanzenrekord hält Sigurd Pettersen aus Norwegen (143,5 Meter). Es folgt das Neujahrsspringen auf der 2007 umgebauten Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen, wo 35 000 Fans Platz haben. Rekordhalter ist Simon Ammann aus der Schweiz (143,5). Nächste Station ist der Bergisel in Innsbruck. 2001 wurde der Bakken mit einem Fassungsvermögen von 26 000 Zuschauern neu gebaut. Beim Flug blicken die Springer auf den Friedhof. Michael Hayböck aus Österreich hält den Schanzenrekord (138). Das Finale steigt auf der Paul-Außerleitner-Schanze in Bischofshofen. Die Anlage, in der 30 000 Fans Platz finden, wurde 2003 neu gebaut. Rekordhalter ist der Japaner Daiki Ito (143).

Die Siegerstatistik

Drei Nationen stellten je 16 Mal den Gesamtsieger: Deutschland (mit DDR), Finnland und Österreich. Rekordsieger ist der Finne Janne Ahonen. Er triumphierte zwischen 1999 und 2008 fünfmal. Erfolgreichster Deutscher ist Jens Weißflog mit vier Siegen. 2001/2002 gewann Sven Hannawald als bisher Einziger alle vier Springen.

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