Die Champions League lockt nicht

Wolfsburg · Stell Dir vor, der teuerste Einkauf der Clubgeschichte schießt seinen Arbeitgeber im ersten Champions-League-Spiel nach sechs Jahren zum Sieg, und nur wenige interessiert es. So geschehen beim VfL Wolfsburg.

Nach seinem Premieren-Tor war 35-Millionen-Euro-Ablöse-Neuzugang Julian Draxler der gefeierte Held beim 1:0 (1:0)-Sieg gegen ZSKA Moskau. Doch auf den Rängen herrschte Tristesse. Nur 21 126 Zuschauer boten eine unwürdige Kulisse für die Rückkehr des VfL Wolfsburg auf die Champions-League-Bühne nach sechs Jahren. Darunter waren noch 400 russische Fans und 1200 Flüchtlinge, die der VfL eingeladen hatte.

"Das war schade. Natürlich will man so ein Spiel vor ausverkauftem Haus erleben", sagte der von Schalke 04 gekommene Weltmeister Draxler. Manager Klaus Allofs reagierte mit Unverständnis. "Ich habe die Hymne gar nicht mitbekommen, weil ich erst einmal geguckt habe, wo die ganzen Leute sind", sagte er nach dem Sieg gegen den russischen Tabellenführer zum Auftakt der Gruppe B: "Das war enttäuschend. Das hat die Mannschaft nicht verdient. Wir werden das angehen."

Während die Liga-Spiele an Wochenenden mit 30 000 Zuschauern in der Regel ausverkauft sind, bleibt der Europapokal in der Wochenmitte ein Problem. "Das war im vergangenen Jahr in der Europa League schon so", sagte Allofs. Offenbar bietet die 125 000-Einwohner-Stadt mit ihrem Umland nicht genug Fan-Potenzial. Meist wird das Ausbleiben von Zuschauern mit Schichtarbeit beim VfL-Mutterkonzern VW begründet. "Vielleicht sollten wir die Leute zwangsverpflichten. Ich habe jedenfalls heute meine gesamte Familie mitgebracht", sagte der Manager . Wie viel Scherz und wie viel Ernsthaftigkeit in seinen Worten steckte, blieb offen.

Allofs dürfte klar sein: Solange der VfL den mangelhaften Zuschauerzuspruch abseits der Bundesliga-Heimspiele nicht in den Griff bekommt, wird es der Club mit seinem Image immer schwer haben, Stars dauerhaft zu halten. Denn: Trotz aller Finanzkraft und möglicher weiterer Titel wird der VfL niemals an die Faszination traditioneller Top-Clubs heranreichen.

Immerhin zeigte der DFB-Pokalsieger auch vor leeren Rängen eines seiner besseren Spiele der letzten Zeit und verbuchte drei wichtige Punkte. Denn durch die überraschende Niederlage von Manchester United beim PSV Eindhoven (1:2) ist die Gruppe ausgeglichener als angenommen. "Es ist mir gar nicht so recht, dass Manchester verloren hat. Jetzt wird es bis zum letzten Spieltag spannend bleiben", sagte VfL-Trainer Dieter Hecking .

"Für uns war es ganz wichtig, dass wir mit einem Sieg gestartet sind", äußerte indes Draxler, der mit seinem Tor in der 40. Minute den Sieg sicherte. Erst bediente er Max Kruse, um dann dessen Flanke im Nachsetzen über die Linie zu bugsieren. Bei Draxler und im Club herrschte Erleichterung. Nach dem Rekordtransfer für 35 Millionen Euro plus Zusatzzahlungen lastete ein großer Druck auf den Schultern des Ex-Schalkers. "Er hat gezeigt, warum wir ihn geholt haben und konnte schon gleich etwas zurückzahlen", sagte Hecking, der sich als Vater des Erfolges fühlen durfte. Der 51-Jährige wählte für seine Premiere in der Königsklasse ein 4-1-4-1-System mit Draxler und Kruse im zentralen Mittelfeld. Das ging voll auf.

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