Leichtathletik-EM in Berlin Die Bühne gehört Robert Harting allein

Berlin · Der Diskus-Star qualifiziert sich für das EM-Finale heute. Bruder Christoph scheitert sensationell in der Qualifikation.

Robert Harting freut sich auf sein letztes großes Finale, Bruder Christoph schüttelt nach seiner völlig verkorksten Qualifikation dagegen ratlos mit dem Kopf. Der Rio-Olympiasieger im Diskuswerfen beschert mit seinem frühen Aus den deutschen Leichtathleten den ersten schmerzhaften Rückschlag bei der Heim-EM in Berlin – nun ruhen wieder einmal alle Hoffnungen auf dem scheidenden London-Olympiasieger Robert.

Dieser schafft als einziger deutscher Diskuswerfer den Sprung in die Medaillen-Entscheidung heute Abend (20.20 Uhr). Dort kämpft der dreimalige Weltmeister neun Jahre nach seinem legendären ersten WM-Titel in Berlin letztmals bei einer großen internationalen Meisterschaft um Gold, Silber und Bronze – in seinem „Wohnzimmer“ Olympiastadion bekommt er zum Abschied noch einmal die alleinige Aufmerksamkeit. Denn auch für den Olympia-Dritten Daniel Jasinski kommt gestern überraschend das Aus in der Qualifikation.

„Ich denke schon, dass es reicht. Auch die anderen werden ihre Problemchen bekommen“, sagt Harting nach seinen 63,29 Metern am Vormittag. Die direkte Quali (64 Meter) verpasst er zwar, unter den besten Zwölf ist er nach den Ergebnissen der zweiten Qualifikationsgruppe als Gesamtsiebter aber locker. Dass es im zweiten Quali-Teil ausgerechnet seinen ungeliebten Bruder Christoph, der als Nummer vier in Europa in den Wettbewerb geht, erwischt – das erwartet niemand.

Christoph Harting bringt keinen gültigen Versuch zustande. „Ich kann es mir selbst nicht erklären, ich bin eigentlich top in Form. Alles war auf das Finale morgen vorbereitet, vielleicht war das das Problem“, sagt er: „Die Enttäuschung ist emotional groß. Das trifft mich jetzt schon ein bisschen mehr.“ Wenig später kündigt er an: „Es gibt jetzt einiges, was hinterfragt werden muss.“ Auch sein Trainer Torsten Lönnfors ist fassungslos. „Er hat drei Mal denselben Fehler gemacht, den Diskus zu früh abgeworfen, drei Mal ins Netz“, analysiert Lönnfors: „Das ist schon ein kleiner Schock.“

Bruder Robert wird es vielleicht gar nicht so sehr stören. Die Bühne heute Abend gehört ihm allein, seinen ersten EM-Auftritt im Olympiastadion genießt er sichtlich, obwohl am Vormittag das Stadion noch nicht so gefüllt ist. „Es war aufbauend, sonst ist man immer so nervös. Aber wenn man hier reinkommt, ist man glücklich“, sagt er: „Hier kommt eine Glücksebene hinzu. Ich hoffe, die hilft mir morgen auch noch für ein, zwei Meter.“

Für seinen letzten großen EM-Auftritt hat Harting noch einmal viel in Kauf genommen. Fast die gesamte Saison plagt er sich mit einer Knieverletzung herum, quält sich aber und hält durch. Alles für das erhoffte Finale heute Abend. „Ich bin voller Vorfreude. Ich werde mit Risiko rangehen“, sagt er.

Harting ist der Star, das Gesicht dieser Titelkämpfe – das Finale wird wohl einer der emotionalen Höhepunkte der Heim-EM werden. Doch trotz der geglückten Qualifikation – es wird schwer für ihn, in den Kampf um die Medaillen einzugreifen. Der Schwede Daniel Stahl ist mit 67,07 Metern der beste Werfer am Dienstag und klarer Gold-Favorit.

Doch, da darf man sicher sein: Harting wird noch einmal alles geben. „Meine persönlichen Ansprüche werden auch in der letzten Sekunde des Sportlerlebens nicht weichen“, sagt er. Den letzten Auftritt seiner Karriere wird er beim ISTAF am 2. September haben – erneut in seinem „Wohnzimmer“. Aber heute, heute zählt es.

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