Die Angst ist überwunden

Innsbruck · Für Skispringer Thomas Morgenstern schien ein Start bei der Vierschanzentournee nach seinem schweren Sturz in Titisee-Neustadt ausgeschlossen. Nun ist für den Österreicher der Gesamtsieg zum Greifen nahe.

Das Christkind bewies bei Thomas Morgenstern schwarzen Humor. Ein neuer Helm für die Vierschanzentournee lag bei dem Österreicher unter dem Baum, nachdem er wenige Tage zuvor in Titisee-Neustadt schwer gestürzt war. Dabei war an Weihnachten nicht einmal klar, ob der 27-Jährige bei der Tournee überhaupt an den Start gehen kann. Keine zwei Wochen später ist der zweite Tournee-Gesamtsieg seiner Karriere zum Greifen nahe. "Mir war es wichtig, so schnell wie möglich wieder auf die Schanze zu kommen, um die Angst zu bekämpfen", sagt Morgenstern, der schon einmal nach einem Horror-Sturz erfolgreich zurückgekommen war. 2003 in Kuusamo war er vom Wind "weggeblasen" worden und rücklings auf den Boden geknallt. "Ich bin ein Stehaufmännchen. Das bekommt man mit in die Wiege", sagte er vergangene Woche nach Platz fünf beim ersten Springen in Oberstdorf.

Zweiter Tournee-Sieg greifbar

Beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen ließ Morgenstern einen zweiten Platz folgen. Auch in der Gesamtwertung ist er Zweiter - hinter seinem Landsmann Thomas Diethart. Der zweite Tournee-Triumph nach 2010/2011 ist zum Greifen nahe. "Er ist wieder ganz der Alte. Ich habe höchsten Respekt vor ihm", sagt Österreichs Cheftrainer Alexander Pointner.

Im alltäglichen Leben ist Morgenstern derzeit noch auf einen "Diener" angewiesen. Seine linke Hand ist seit dem Sturz in Titisee-Neustadt dick bandagiert. Der Doppel-Olympiasieger von 2006 kann weder Flaschen öffnen noch alleine in seinen Skischuh steigen. Auch auf der Schanze verspürt er beim Abstoßen noch immer einen kleinen Stich. Zu stören scheint ihn das aber nicht - ganz im Gegenteil.

Morgenstern, der 2003 im Alter von gerade einmal 16 Jahren seinen ersten Weltcup gewann, hatte noch vor wenigen Monaten Rücktrittsgedanken gehegt. Nach der Geburt seiner Tochter Lilly und der Trennung von Langzeitfreundin Kristina tauchte sein Name plötzlich häufiger in den Boulevard-Zeitungen auf. Hinzu kamen hartnäckige Verletzungen. "Eine schwierige Zeit", wie er heute offen zugibt.

Ein "Jahrzehntetalent"

Vergessen ist das alles noch nicht, zumindest aber überwunden. "Er kann wieder intuitiv agieren, und das ist gerade in unserem Sport wichtig", sagt Pointner, der Morgenstern ein "Jahrzehntetalent" nennt: "Dass man mit 16, 17 so durchstartet, ist nicht der normale Weg." Unglaubliche acht WM-Titel hat sein Schützling bis heute gesammelt - sieben davon mit der Mannschaft. Die Tournee kann er nun zum zweiten Mal gewinnen. Das haben vor ihm erst elf Skispringer geschafft. Und nun kommen auch noch die Heimspringen an diesem Samstag in Innsbruck (14 Uhr/ARD und Eurosport) sowie zwei Tage später in Bischofshofen. "Das wird etwas ganz Besonderes. Zu 99 Prozent wehen dort österreichische Fahnen, es wird eine extreme Lautstärke produziert. Das ist unvergleichbar", sagt Morgenstern. Nach Angst klingt das ganz und gar nicht.

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Auf einen BlickIn voller Mannschaftsstärke gehen die deutschen Skispringer beim dritten Vierschanzentournee-Wettbewerb in Innsbruck an den Start. Als bester deutscher Athlet kam Marinus Kraus in der Qualifikation an diesem Freitag auf den vierten Platz. Der 22-Jährige sprang 127 Meter. Die gesetzten Severin Freund als Elfter und Andreas Wellinger auf Rang 21 sprangen jeweils 120 Meter. Karl Geiger, Andreas Wank, Richard Freitag und Michael Neumayer konnten zwar keine Bäume ausreißen, schafften aber problemlos den Sprung ins Hauptfeld. Die Qualifikation gewann der Norweger Anders Fannemel mit 127 Metern vor Gesamt-Spitzenreiter Thomas Diethart aus Österreich.Das dritte der vier Springen findet an diesem Samstag in Innsbruck statt (14 Uhr/ZDF und Eurosport). Das Abschluss-Springen ist am kommenden Montag ab 16 Uhr in Bischofshofen. dpa

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