Tour de France Die Ära Froome steht vor dem Ende

Pau · Der viermalige Tour-Sieger hat kaum noch eine Chance auf den historischen fünften Triumph. Eine neue Zeitrechnung beginnt.

 Gesprächsbedarf beim Dominator außer Dienst: Der Brite Chris Froome ist nicht mehr in der Form der vergangenen Jahre und muss daher viele Fragen beantworten.

Gesprächsbedarf beim Dominator außer Dienst: Der Brite Chris Froome ist nicht mehr in der Form der vergangenen Jahre und muss daher viele Fragen beantworten.

Foto: dpa/David Stockman

Chris Froome schäumte vor Wut. Wild gestikulierend schimpfte der gedemütigte Titelverteidiger der Tour de France auf den ratlosen Gendarm ein, der sich nach der 17. Etappe einen furchtbaren Fauxpas erlaubt hatte. Froome, der viermalige Tour-Sieger und prominenteste Fahrer im Feld, war auf der Abfahrt vom Col du Portet doch tatsächlich für einen Fan gehalten worden und nach dem Eingriff des Polizisten sogar vom Rad gefallen.

Welch Schmach, welch Majestätsbeleidigung! Doch die kuriose Szene passte ins Gesamtbild, das Froome bei der 105. Frankreich-Rundfahrt abgibt. Der langjährige Dominator, dem seit dem Start des Rennens die Abneigung der Fans entgegenschlägt, schwächelt und ist verwundbar. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist verloren.

„Eine neue Zeitrechnung“, urteilte die französische Sporttageszeitung L‘Equipe am gestrigen Donnerstag. Auf dem Foto der Titelseite: Geraint Thomas im Gelben Trikot, Tom Dumoulin und Primoz Roglic. Das Trio hatte den entkräfteten Froome auf der nur 65 Kilometer langen, aber extrem anspruchsvollen Pyrenäen-Etappe am Mittwoch auf den Col du Portet abgehängt und klar besiegt – ein in den vergangenen Jahren undenkbares Szenario.

Der fünfte Tour-Sieg, der Froome auf eine Stufe mit den Legenden Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain heben würde, ist in weite Ferne gerückt. Froome trennen als Dritten der Gesamtwertung nicht nur 2:31 Minuten von Spitzenreiter Thomas. Froomes nomineller Edelhelfer hat ihm durch starke Auftritte auch im Team Sky den Rang abgelaufen. Froome rückt im Endspurt der Tour 2018 plötzlich selbst in die ungewohnte Rolle des Helfers. „Das ist Radsport. Wir sind ein Team, darum geht es“, sagte Froome. Er werde um das Podium kämpfen, „und natürlich darum, Geraint Thomas im Gelben Trikot zu halten“.

Froomes Möglichkeiten, womöglich doch noch selbst ins Maillot jaune zu fahren, sind begrenzt. Ausschließen lässt sich ein Comeback allerdings nicht. „Ich würde ihn noch nicht abschreiben“, sagte Sky-Teamchef David Brailsford: „Er ist ein großer Champion.“ Zwei Etappen werden über den Ausgang der 105. Tour entscheiden. Heute steht die letzte schwierige Bergetappe mit gleich sechs Anstiegen an, morgen folgt ein hügeliges Einzelzeitfahren, das auch eine große Chance für Dumoulin, einen herausragenden Zeitfahrer, bietet.

Dass Froome zu Wunderdingen fähig ist, hat er immer wieder bewiesen, zuletzt im Mai. Beim Giro d’Italia blieb er lange ebenso blass wie bei der Tour, ehe er in der Schlusswoche am berühmten Colle delle Finestre zu einem 80-Kilometer-Solo ansetzte und den Grundstein für den Gesamtsieg legte. Die Ära Froome nähert sich dem Ende. Womöglich schiebt der Brite die Wachablösung aber noch hinaus.

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