Rallye Die Panzerplatte zerstört viele Träume

Bosen · Ott Tänak gewinnt zum dritten Mal die Deutschland-Rallye. Plattfuß stoppt Thierry Neuville. Marijan Griebel überzeugt.

Es ist Samstag, 16.20 Uhr, als die Entscheidung bei der Deutschland-Rallye fällt. Thierry Neuville, der sich seit dem Start am Donnerstag einen packenden Kampf um jede Zehntelsekunde mit Ott Tänak lieferte, fängt sich auf der Panzerplatte einen Plattfuß ein. Gemeinsam mit Beifahrer Nicolas Gilsoul muss er den linken Hinterreifen am Hyundai wechseln, macht das rasend schnell, doch das Team verliert knapp 85 Sekunden auf den führenden Tänak. Aus fünf Sekunden Abstand sind plötzlich anderthalb Minuten geworden. Die Flaggen der zahllosen belgischen Fans, die teilweise in Bussen angereist sind, gehen auf halbmast.

Als Neuville wenig später in den Servicepark rollt, ist ihm der Ärger noch immer deutlich anzusehen. Die Augenbrauen sind zusammengezogen, die Mundwinkel hängen nach unten, die Halsschlag-Ader hämmert. Während Hyundai-Teamchef Andrea Adamo Beifahrer Gilsoul in den Arm nimmt und tröstet, schaut sich Neuville minutenlang den kaputten Reifen an, dreht ihn immer wieder ein Stück, tastet ihn mit den Fingerkuppen ab – und schüttelt ratlos den Kopf. Dann feuert er den Reifen voller Wut zurück in den Kofferraum. „Das ist eine Schande!“, flucht er. „Und ich verstehe das nicht. Wir haben nichts gesehen, was der Grund für den Schaden sein könnte. Ich hatte zwar vor dem Start der Prüfung ein komisches Gefühl – aber die Luftdrucksensoren im Reifen haben alle normale Werte angezeigt.“

Doch sein Gefühl war genauer als die Messdaten. Schon nach wenigen Metern der 41 Kilometer langen Königsetappe war die Luft raus aus dem Reifen. Und Neuville wusste: Auch 2019 wird es mit dem Sieg bei seiner „Heimrallye“ nichts. Seit 2014 wartet der aus dem nur rund 120 Kilometer entfernten St. Vith stammende Fahrer nun schon auf seinen zweiten Erfolg. Auch die Tatsache, dass wenig später einem seiner WM-Kontrahenten, Sébastien Ogier (Citroën), das gleiche Schicksal passierte, hilft da wenig.

Doch nicht nur Neuville hadert. Wenige Meter daneben steht Lokalmatador Marijan Griebel (Hahnweiler) – und auch er versteht die Welt nicht mehr. Ihn hatte es schon eine Wertungsprüfung zuvor bei der kurzen Panzerplatten-Prüfung erwischt – und das gleich doppelt. „Zwei Plattfüße auf einer WP – das hatten wir noch nie“, grübelt Griebel. „Und ich weiß auch nicht wieso. Gegenüber dem Morgen hatten wir bestimmt schon 30 Prozent Tempo und Risiko rausgenommen. Aber dann hat es uns erst hinten links erwischt – und dann wenig später auch noch vorne rechts. Obwohl wir ja da schon langsamer unterwegs waren.“

Kurios: Nach einem Reifenwechsel im Ziel fährt Griebel wenig später auf der langen Panzerplatte dann trotzdem die Bestzeit in seiner Klasse, der WRC2. „Das hat mich auch gewundert“, schüttelt Griebel den Kopf. „Wir mussten nach dem Wechsel ja ohne Ersatzreifen in die lange Prüfung starten – da hast du echt kein gutes Gefühl. Ich bin deshalb sehr vorsichtig gefahren, habe gar nicht attackiert.“ Dennoch war er schneller als alle anderen.

Überhaupt lieferte der Lokalmatador am Wochenende in seinem Skoda Fabia R5 evo eine starke Leistung ab – in einem Auto, mit dem er vor der Rallye noch keinen einzigen Meter gefahren war. „Die Eingewöhnungsphase hat nur fünf Kilometer gedauert. Danach lief’s“, sagt Griebel. Am Ende belegte er hinter seinem Teamkollegen, Skoda-Werkspilot Fabian Kreim, Platz 13 – und wurde Zweiter in der WRC 2. „Das zeigt, dass wir in Deutschland offenbar doch ein paar gute Fahrer haben“, sagt Griebel.

An der Spitze fuhr der Este Ott Tänak derweil einem sicheren Sieg entgegen – vor seinen Toyota-Teamkollegen Kris Meeke und Jari-Matti Latvala sowie den drei Hyundais von Neuville, Dani Sordo, und Andreas Mikkelsen.

 Der Publikumsandrang bei der Rallye war dieses Jahr so groß wie wohl noch nie – wie hier bei der WP Wadern – Weiskirchen am Freitag.

Der Publikumsandrang bei der Rallye war dieses Jahr so groß wie wohl noch nie – wie hier bei der WP Wadern – Weiskirchen am Freitag.

Foto: Mike Biehl
 Ott Tänak ist immer schnell – auch auf zwei Rädern.

Ott Tänak ist immer schnell – auch auf zwei Rädern.

Foto: ADAC Motorsport
 Die Hyundai-Box im Servicepark. Unten wird an den Autos geschraubt, oben werden die Gäste und Team-Mitglieder verköstigt.  Foto: Dörrenbächer/ADAC

Die Hyundai-Box im Servicepark. Unten wird an den Autos geschraubt, oben werden die Gäste und Team-Mitglieder verköstigt. Foto: Dörrenbächer/ADAC

Foto: Dörrenbächer
 Thierry Neuville erklärt nach der Rückkehr in den Servicepark seinen Reifenschaden.  Foto: Peter Wilhelm

Thierry Neuville erklärt nach der Rückkehr in den Servicepark seinen Reifenschaden. Foto: Peter Wilhelm

Foto: Peter Wilhelm
 Lokalmatador Marijan Griebel (links) und Fabian Kreim waren auf den Plätzen 13 und zwölf die schnellsten Deutschen.   Foto: Peter Wilhelm

Lokalmatador Marijan Griebel (links) und Fabian Kreim waren auf den Plätzen 13 und zwölf die schnellsten Deutschen. Foto: Peter Wilhelm

Foto: Peter Wilhelm

Vor vier Jahren versenkte der 31-jährige Tänak bei einem Unfall in Mexiko seinen Ford Fiesta in einem See – und erhielt danach den Spitznamen „Titanic“. Der Unfall am See hätte ihn um ein Haar die Karriere gekostet, nun hat er mit seinem dritten Sieg in Folge an einem anderen See, dem Bostalsee, den Grundstein für seinen ersten Weltmeister-Titel gelegt. Vier Rallyes vor Saisonende vergrößerte er seinen Vorsprung auf Neuville auf 35 Zähler. Titelverteidiger Ogier, der am Sonntag nur Siebter wurde, liegt schon 42 Punkte zurück – und resigniert: „So hatte ich mir das Wochenende nicht vorgestellt. Ich kann dieses Auto nicht fahren.“

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