Deutsche Sternstunden

Berlin. Nach seiner Übung am Barren ballte er die Faust - und als der Sensations-Titel feststand, genoss er die Ovationen der 6600 Berliner Fans: Marcel Nguyen hat gestern bei den Europameisterschaften mit seinem "Jahrhundert-Erfolg" selbst Philipp Boy die Show gestohlen. 56 Jahre lang hatte es an diesem Gerät nie einen deutschen Sieger gegeben

 Marcel Nguyen ließ am Barren alle Kopf stehen und wurde Europameister. Foto: dpa

Marcel Nguyen ließ am Barren alle Kopf stehen und wurde Europameister. Foto: dpa

Berlin. Nach seiner Übung am Barren ballte er die Faust - und als der Sensations-Titel feststand, genoss er die Ovationen der 6600 Berliner Fans: Marcel Nguyen hat gestern bei den Europameisterschaften mit seinem "Jahrhundert-Erfolg" selbst Philipp Boy die Show gestohlen. 56 Jahre lang hatte es an diesem Gerät nie einen deutschen Sieger gegeben. Der neue Mehrkampf-Europameister Boy rettete nach einer fehlerhaften Übung noch die Silbermedaille am Reck, Nguyen kam knapp dahinter zu Bronze.Mit nie erhofften sieben Medaillen (zwei Gold/drei Silber/zwei Bronze) waren die Deutschen so stark wie noch nie in der Historie des Deutschen Turner-Bundes. Auch die DDR-Turner schnitten in der EM-Historie nie erfolgreicher ab. Und wohl niemand hätte zuvor gedacht, dass ausgerechnet am Barren, an dem es seit dem Kölner Helmut Bantz 1955 keinen deutschen Titel gegeben hatte, in Berlin die Sensation gelingen würde. "Diese Übung war einfach Bombe. Ich bin volles Risiko gegangen", sagte Nguyen. Der Sohn eines Vietnamesen und einer Deutschen glänzte vor allem mit seinem spektakulären Tsukahara-Abgang, den derzeit nur er beherrscht, und profitierte davon, dass der viermalige Europameister und Quali-Beste Mitja Petkovsek absteigen musste. Für Nguyen war es eine fantastische Rückkehr nach seinem Wadenbeinbruch im Vorjahr. "Ein Titel, einmal Bronze, was will ich mehr", sagte Nguyen.

Eindrucksvoll offenbarte sich vor der frenetisch mitgehenden Kulisse auch die neue deutsche Frauen-Stärke. Drei Medaillen waren eine Ausbeute, an die Cheftrainerin Ulla Koch nicht einmal im Traum gedacht hatte. "Es fehlen mir die Worte", meinte sie. Allen voran Elisabeth Seitz, die mit ausgekugeltem kleinen Finger im Mehrkampf ihre Chance optimal nutzte und mit Silber für die erste Medaille einer Deutschen seit Maxi Gnauck 1985 sorgte. Kim Bui, die wegen eines Kreuzbandrisses lange verschwunden war, nutzte am Stufenbarren einen Fehler von Seitz beim Abgang zum Gewinn ihrer ersten EM-Bronzemedaille. Und auch Oksana Chusovitina kehrte nach zwei Operationen mit Sprung-Silber wieder in die Weltspitze zurück. dpa

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