Hockey-WM Die Hockey-WM in Indien wird zum Spektakel

Bhubaneswar · In Bhubaneswar herrscht Ausnahmezustand, das ganze Land ist im Hockey-Fieber. Die Titelkämpfe sind eine nationale Angelegenheit.

 Die Hockey-Nationalspieler Dieter Linnekogel und Marco Miltkau (von links) freuen sich über den WM-Auftaktsieg gegen Pakistan. In Indien ist die WM jeden Tag das Topthema.

Die Hockey-Nationalspieler Dieter Linnekogel und Marco Miltkau (von links) freuen sich über den WM-Auftaktsieg gegen Pakistan. In Indien ist die WM jeden Tag das Topthema.

Foto: dpa/Frank Uijlenbroek

Militärfahrzeuge der indischen Armee eskortieren den Mannschaftsbus der deutschen Hockey-Männer auf ihrem knapp zehnminütigen Weg zum Kalinga-Stadion. Hunderte Passanten winken den Spielern zu, versuchen, einen Blick ins Innere zu erhaschen. „Als wäre man irgendwie wichtig“, sagt der Olympia-Dritte Mats Grambusch staunend. Ihm und seinen Teamkollegen kommt die Aufmerksamkeit bei der Weltmeisterschaft in Bhubaneswar beinahe surreal vor.

In Deutschland gilt ein Bundesligaspiel mit 500 Zuschauern als gut besucht, in Indien strömen Menschenmassen in die Stadien – auch, um die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) zu sehen. „Es sind 15 000 Leute, die irgendwas schreien. Du verstehst es zwar nicht, aber irgendwie pusht es dich“, schwärmt Grambusch. Torjäger Christopher Rühr pflichtet ihm bei: „Die Leute haben hier bis auf Indien eigentlich gar keine richtigen Favoriten. Sie finden Hockey einfach geil und feiern dich frenetisch.“

Schon bei ihrer Ankunft in Bhubaneswar wurde für die „Honamas“ der rote Teppich ausgerollt. Am Flughafen musste das Team von Bundestrainer Stefan Kermas für die Fotografen posieren, und auch während des Turniers gehören tägliche Interview-Anfragen für das Fernsehen oder die Zeitungen zum WM-Alltag. In den Medien gibt es in diesen Tagen ohnehin kaum ein anderes Thema. „Die Zeitungen hier sind voll mit Hockey-Artikeln, und im Fernsehen läuft es rauf und runter“, erzählt Grambusch. Vorberichterstattung, Live-Übertragung mit Kommentatoren, Interviews am Spielfeldrand und Nachberichterstattung: In Deutschland wäre das nur bei einer Fußball-WM vorstellbar.

Der indische Hockey-Wahnsinn ist auf eine goldene Ära zurückzuführen. Von 1924 bis 1980 gewann das indische Hockey-Nationalteam acht Mal die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen. Der Triumph vor 38 Jahren ist allerdings der letzte große Erfolg der Hockey-Nation. Um wieder an diese glorreichen Zeiten anzuknüpfen, werden Fördermittel in Mengen ausgegeben, Konzepte wie die „Hockey India League“ ins Leben gerufen. „Die indischen Spieler sollen von dem Einfluss starker Spieler aus der ganzen Welt profitieren“, sagt der ehemalige Welthockeyspieler Moritz Fürste.

Dazu finden jährlich Auktionen statt, bei denen die besten Spieler aus der ganzen Welt von indischen Clubs für die Saison ersteigert werden können, um die lokalen Teams beim vierwöchigen Kampf um die Meisterschaft zu verstärken. Für die ausländischen Topspieler ist es ein lukratives Angebot (Fürste erhielt bei einem seiner vier Indien-Aufenthalte rund 98 000 Euro) – für Indien ist dieses System der Schlüssel zur Rückkehr an die Weltspitze. „Das Konzept funktioniert. Die indischen Spieler haben mittlerweile ein viel größeres Selbstbewusstsein und lassen sich nicht mehr so einfach von erfolgreichen Nationen dominieren“, sagt Fürste.

Auch bei ihrer Heim-WM sind die Gastgeber gut gestartet. Indien führt nach dem Unentschieden gegen den Mitfavoriten Belgien (2:2) und einem deutlichen Auftaktsieg gegen Südafrika (5:0) die Gruppe C an.

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