Handball Handball-Bund will Ärmel hochkrempeln

Herning · Die WM in Deutschland und Dänemark war ein großer Erfolg. Folgt jetzt ein Boom? Die Sportart hat auch strukturelle Probleme.

 Bundestrainer Christian Prokop (Mitte) und seine Mannschaft sind jetzt gefordert, sich auf Dauer in der Weltspitze zu etablieren.

Bundestrainer Christian Prokop (Mitte) und seine Mannschaft sind jetzt gefordert, sich auf Dauer in der Weltspitze zu etablieren.

Foto: AP/Martin Meissner

Nach dem einen oder anderen Frustbier und einem gemeinsamen Abendessen verabschiedeten sich die enttäuschten deutschen Handballer ohne die erhoffte WM-Medaille in einen Kurz-Urlaub. Für Andreas Wolff & Co. geht es in der Bundesliga am 7. Februar weiter, für die Verbandsführung begann schon am Tag nach dem Ende der Heim-Weltmeisterschaft der Alltag – mit viel Arbeit.

In den kommenden Monaten soll der Boom, anders als beim Wintermärchen vor zwölf Jahren, nachhaltig genutzt werden. „Die WM gibt natürlich einen Schub“, sagte Andreas Michelmann, der Präsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB): „Da haben wir inzwischen die nötigen Formate, die es 2007 noch nicht gab. Es muss schneller möglich sein, aus diesem WM-Effekt der hervorragenden sportlichen Leistung, der großartigen Stimmung in den Hallen und der großen Medienpräsenz Wirkung zu erzielen.“

Der Handball wittert seine Chance, sich auf Jahre hinaus als Mannschaftssportart Nummer zwei hinter dem unangefochtenen Fußball zu etablieren. „Entscheidend ist für uns, dass sich die Kurve langfristig nach oben bewegt“, sagte Vorstands-Chef Mark Schober: „Wir können dank der langfristigen TV-Verträge jetzt jedes Jahr einen Gipfel erreichen und haben 2024 eine Heim-EM. Es deutet alles darauf hin, dass wir eine kontinuierliche Steigerung erreichen können.“

Die Voraussetzungen dafür sind günstig. Der Verband hat sich in den vergangenen Jahren reformiert und professionelle Strukturen geschaffen. Mit konzertierten Aktionen wird seit geraumer Zeit an Schulen und in Kindergärten um Nachwuchs geworben. Auch Themen wie Ehrenamt, Trainerausbildung und Gewinnung von Schiedsrichtern (eines der größten strukturellen Probleme im Saarland/die SZ berichtete) stehen nicht erst seit den begeisternden WM-Tagen auf der Agenda.

„Als Dachverband können wir Leuchtturmprojekte machen und beraten, aber wir brauchen natürlich unsere Landesverbände, die Vereine und die Spieler bis zur untersten Ebene, die die Werte des Handballs weitergeben“, sagte Schober und zählte auf: „Bodenständigkeit, Nahbarkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Teamfähigkeit.“

Die wurden einem Millionenpublikum vor den TV-Geräten vermittelt. „Handball ist 60 Minuten Schweiß, Tränen und Action – das haben wir Deutschland präsentiert“, lobte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. „Es ist wichtig, dass wir das rübergebracht haben.“

Dennoch äußerte sich ausgerechnet Handball-Ikone Heiner Brand skeptisch. „Volksnähe, Bescheidenheit, Bodenständigkeit sind Attribute, die den Handball schon immer ausgezeichnet haben. Das hat man schon immer gelobt, hat sich bisher nach einem großen Erfolg aber nicht ausgewirkt“, sagte der Weltmeister-Trainer von 2007. Schon damals sei nach dem WM-Triumph versucht worden, in die Schulen zu gehen. „Aber über die Inhalte in den Sportstunden wird in Ministerien entschieden“, sagte Brand. Hinzu kommt das Problem mit der Infrastruktur, denn die Hallenkapazitäten in Deutschland sind beschränkt und bei weitem nicht ausreichend.

Trotzdem gibt man sich beim DHB optimistisch. „Handball ist jetzt ein gesellschaftliches Thema“, stellte Verbandsvize Hanning fest. Bundestrainer Christian Prokop und seine Schützlinge müssen nun dafür sorgen, dass dies auch in Zukunft so bleibt. „Es sind viele Gesichter entstanden aus dieser WM heraus, eine einheitliche Mannschaft, die vieles super vorgelebt hat. Jetzt müssen wir diese Sache mit Nachhaltigkeit angehen“, sagte Prokop. Entscheidend wird sein, ob sich die DHB-Auswahl auf Dauer in der Weltspitze etablieren kann. Das war nach dem WM-Sieg 2007 und dem EM-Triumph 2016 nicht gelungen.

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