„Der wohl gigantischste Deutsche“

Glendale · Vor 13 Jahren verfolgte Sebastian Vollmer im Fernsehen, wie die New England Patriots den Super Bowl gewannen. Nun steht er selbst mit der Mannschaft im Endspiel und könnte erster deutscher NFL-Titelgewinner werden.

Die Liste der Lobpreisungen für Sebastian Vollmer ist lang. Für seinen Quarterback Tom Brady ist er "der wohl gigantischste Deutsche". Sein Trainer bei den New England Patriots , Bill Belichick, bezeichnet ihn als "einen Traum für einen Trainer". Und auch Basketball-Star Dirk Nowitzki bescheinigt dem rheinischen Riesen eine "super Saison." Vollmer blendet die schmeichelnden Worte jedoch einfach aus.

Der 30-Jährige fokussiert sich voll auf das 82. und wichtigste Spiel seiner Karriere in der nordamerikanischen Football-Profiliga NFL : In der Nacht von Sonntag auf Montag (23.15 Uhr/Sat. 1) trifft Vollmer mit den Patriots im Super Bowl in Glendale auf Titelverteidiger Seattle Seahawks . Nach der 17:21-Finalniederlage 2012 gegen die New York Giants will er im zweiten Anlauf triumphieren. Dass Vollmer somit der erste deutsche NFL-Titelträger wäre, ist für ihn sekundär. "Als Sportler möchte ich gewinnen. Mit meiner Herkunft hat das für mich persönlich nichts zu tun", betont der 30-Jährige.

Und dennoch macht ihn seine deutsche Heimat in den Tagen vor Amerikas größtem Sport-Spektakel für die etwa 5000 Pressevertreter interessanter als andere. Akteure der Offensiv-Linie, die den Quarterback beschützen und im Laufspiel die gegnerische Abwehr beiseite räumen, sind zwar auf dem Spielfeld mitunter entscheidend, für die Medien jedoch oft nur Nebendarsteller.

Vollmer hingegen war beim Medien-Tag vor dem Super Bowl ähnlich begehrt wie die Patriots-Stars Rob Gronkowski oder Derelle Revis. Deutsche, österreichische, amerikanische und mexikanische Journalisten umringten den 2,03 Meter großen und 145 Kilogramm schweren Koloss aus Kaarst in seinem weißen Patriots-Trikot.

Ausgiebig musste er über seinen Weg vom ehemaligen Schwimmer in Neuss zum Super Bowl , die Football-Begeisterung in Deutschland, Verletzungen oder einsame Stunden am College in Houston nach seinem Umzug 2004 in die USA berichten. Eine mexikanische Reporterin reichte ihm sogar Torwarthandschuhe und forderte ihn auf, ihren Schuss zu parieren. Vollmer, als Kind Fußballer, gab die Handschuhe umgehend zurück, hielt gekonnt einen Fuß über den Ball und meinte mit einem freundlichen Lächeln: "Nein, danke."

Vollmer bewegt sich auf der größten Bühne seines Sports gekonnt, selbstsicher und nach fast sechs NFL-Jahren auch routiniert. Auf den Medien-Rummel mit den täglichen Pressekonferenzen, die zur Super-Bowl-Woche gehören, könnte er jedoch verzichten. Er stehe nicht gerne im Rampenlicht, brauche kein Blitzlicht-Gewitter, sagte er. Aber wenn es dem Football in Deutschland helfe, dann sei das schon in Ordnung.

Als die Patriots 2002 erstmals den Super Bowl gewannen, saß Vollmer mit Freunden von Quirinus-Gymnasium Neuss zusammen, verfolgte nachts das Spiel. Nun kann er mithelfen, den vierten Titel für New England zu holen - "ein cooles Gefühl", sagte Vollmer. Seit 2009 ist er einer von Tom Bradys fünf "Leibwächtern", seit fünf Jahren der auf der rechten Seite. Und obwohl Vollmer als Deutscher einen "komplett anderen Football-Hintergrund" habe, könne er sich "niemand anderen als ihn" auf dieser Position vorstellen, sagte Brady.

"Sebastian ist ein sehr schlauer Spieler, niemand arbeitet härter als er. Er ist einer unserer konstantesten Leute. Seine Einstellung, seine Denkweise drehen sich nur um seinen Job", berichtete Trainer Belichick. Als Vollmer sich im Herbst 2013 das rechte Bein brach, litt auch Basketball-Kollege Nowitzki mit. Beide stehen seit Jahren im Kontakt, verfolgen gegenseitig die Leistungen des anderen. "Sebastian musste durch seine Verletzung lange aussetzen, aber hat sich zurückgekämpft. Es wäre toll für ihn, wenn er jetzt den Super Bowl gewinnen könnte", lobte Nowitzki.

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