Der Weltmeister wackelt
Igls · Stürzt der Dominator vom WM-Thron? Nur ein Jahr vor den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang geht Felix Loch ziemlich angeschlagen in die Rodel-WM in Igls. Er scheint das Siegen vorerst verlernt zu haben.
Felix Loch hat keine Mühe zu erklären, warum diese Weltmeisterschaft eine ganz besondere ist. Mit einem Satz ist alles gesagt. "Zum ersten Mal seit neun Jahren bin ich wohl nicht der Top-Favorit", sagt Loch. Der Olympiasieger, der Weltmeister , der Dominator des Rodelsports muss bei der WM in Igls an diesem Wochenende um seinen Status bangen. Ein Jahr vor den Winterspielen in Pyeongchang scheint Loch das Siegen verlernt zu haben. "Ich fahre sicherlich mit gemischten Gefühlen zu dieser WM", sagt Loch: "Aber es kann eben nicht jeden Winter so laufen wie in den vergangenen Jahren."
Nur den vierten Rang belegt Loch im Gesamtweltcup, nur ein mickriger Sieg im vorolympischen Winter steht für ihn zu Buche. Und der war irgendwie auch kein richtiger: Beim Saisonauftakt gewann der 27-Jährige lediglich den Sprintwettbewerb in Winterberg. Ein Rennen über zwei Läufe konnte er noch nicht für sich entscheiden.
Die Gründe dafür sind vielschichtig, Loch erläutert sie mit einem Seufzer. Im Männerbereich gehe es international mittlerweile "deutlich enger" zu, und Schwächen werden da schnell bestraft: "Bei mir hat in diesem Jahr so einiges nicht gepasst." Zu oft habe er sich bei den Einstellungen seines Arbeitsgeräts vertan, und "es lag auch am Fahrerischen. Ich war mit meinen Leistungen nicht so zufrieden wie in den vergangenen Jahren."
Und so kommt es, dass Loch ausgerechnet ein Jahr vor Olympia wohl erstmals seit 2011 nicht den Gesamtweltcup gewinnen wird. Die beiden Russen Roman Repilow und Semen Pawlitschenko liegen vor ihm, auch der Österreicher Wolfgang Kindl. Und mindestens diesem Trio werden nun auch im Kampf um WM-Gold ebenso gute, wenn nicht gar bessere Chancen ausgerechnet.
Mut macht indes der Eiskanal. Die Bahn in Igls oberhalb von Innsbruck "liegt uns sehr", sagt Norbert Loch, Bundestrainer und Vater des Olympiasiegers: "Das Ziel muss jetzt sein, an diesem Wochenende die beste Leistung des Jahres abzurufen."
Das wollen auch die übrigen deutschen Top-Rodler schaffen, sie starten allerdings unter gänzlich anderen Vorzeichen in die WM. Olympiasiegerin Natalie Geisenberger will ihren Titel erfolgreich verteidigen, größte Konkurrentin wird wohl ihre Dauerrivalin Tatjana Hüfner sein. Diese kann mit dem Sieg im Einzel zur alleinigen Rekordweltmeisterin aufsteigen.
Bei den Doppelsitzern winkt Toni Eggert und Sascha Benecken endlich der große Triumph. Die ewigen Zweiten standen jahrelang im Schatten der Olympiasieger Tobias Wendl und Tobias Arlt, doch in dieser Saison scheint sich das zu ändern: Sieben von neun Weltcup-Rennen haben sie bislang gewonnen, der Gesamtsieg ist so gut wie sicher. Und die WM-Bahn in Igls liegt ihnen. "Sie wird schon als unser Wohnzimmer bezeichnet", sagt Benecken, immerhin drei Mal in Folge gewannen sie dort zuletzt das Weltcup-Rennen.
Übrigens kann auch Loch an diesem Sonntag einen Sieg für die Geschichtsbücher feiern, das ging angesichts der holprigen Saison bisher unter: Mit seinem sechsten WM-Triumph im Einzel würde er mit Rekordweltmeister Armin Zöggeler (Italien) gleichziehen. Ob das gelingt, ist fraglich - für den Rodelsport ist diese Ungewissheit eine schöne Sache. "Wenn ich vor dem Rennen weiß, dass der Loch gewinnt, dann schaue ich es mir eher nicht an", sagt Loch selbst.