„Der vierte Mann hat uns gerettet“

Saarbrücken · Dank einer klugen Personalpolitik spielt der 1. FC Saarbrücken heute gegen Chartres um den Einzug in das Halbfinale der Champions League.

Mit der Strategie aus der vergangenen Saison würde der 1. FC Saarbrücken derzeit wohl ein Desaster erleben. Doch im Frühjahr 2016 präsentierte Erwin Berg, der Sportchef des Tischtennis-Bundesligisten, einen Plan, wie der Verein dauerhaft an der deutschen und auch europäischen Spitze mitmischen will. Der Franzose Adrien Mattenet verließ den FCS, dafür kamen mit Patrick Franziska und Patrick Baum zwei deutsche Nationalspieler hinzu.

Zusammen mit dem Portugiesen Tiago Apolonia und dem Slowenen Bojan Tokic verfügt der FCS seit Sommer 2016 über vier starke Spieler - obwohl nur drei pro Partie eingesetzt werden können. Bergs Ziel damals war klar: flexibel sein, überraschen, auf ein Formtief reagieren können. Und so, wenn alles optimal läuft, am Thron des deutschen Rekordmeisters Borussia Düsseldorf kratzen.

Darüber spricht Berg nicht oder nicht mehr. Vielmehr sagt er: "Der vierte Mann hat uns die Saison gerettet." Und das ist auch nicht untertrieben. Seit dem 6. November hat Franziska verletzungsbedingt kein Spiel mehr bestreiten können. Und Apolonia, zu Saisonbeginn infolge der Belastung der Olympischen Spiele in einem Formtief, fiel zwischendurch auch immer mal wieder aus.

"Wenn man unsere Verletzungsprobleme sieht und dann unser Abschneiden in dieser Saison gegenüberstellt, ist das geradezu sensationell", jubelt Berg. Im Pokalwettbewerb scheiterte der FCS Mitte Januar erst im Finale an Düsseldorf. In der Bundesliga liegt die Mannschaft als Tabellendritter klar auf Endrunden-Kurs. Und in der Champions League steht sie mit mehr als einem Bein im Halbfinale. Heute um 19.30 Uhr steht in der Joachim-Deckarm-Halle das Viertelfinal-Rückspiel gegen den französischen Spitzenclub Chartres ASTT an. Das Hinspiel am 27. Januar gewann der FCS überraschend mit 3:1.

Überraschend, weil die Blau-Schwarzen nicht nur ohne Franziska antraten, sondern auch ohne Apolonia. Die 19-jährige Alexey Semenov aus der zweiten Mannschaft, die in der 2. Bundesliga spielt, rückte auf - und gab den einzigen Punkt ab. Bojan Tokic und Patrick Baum erledigten den Rest - und das gegen absolute Weltspitze mit dem ehemaligen Saarbrücker Joao Monteiro, mit Pär Gerell und Robert Gardos. "Den Erfolg im Hinspiel", sagt Berg, "den kann man gar nicht hoch genug einschätzen". Und so winkt dem 1. FC Saarbrücken ein Halbfinal-Duell mit Fakel Orenburg um den deutschen Nationalspieler Dimitrij Ovtcharov.

Doch Berg warnt, will sich auf keine Rechenspiele einlassen. Immerhin dürfte die Aufstellung kein Kopfzerbrechen verursachen. Apolonia meldete sich am vergangenen Wochenende wieder zurück - und wie: Beim Europe Top 16 im französischen Antibes gewann er seine Gruppe mit Siegen gegen Vladimir Samsonov, Emmanuel Lebesson sowie Kou Lei und musste sich erst im Viertelfinale dem späteren Silbermedaillengewinner Alexander Shibaev geschlagen geben.

Apolonia wieder fit - Tokic und Baum gesetzt. Tokic lief in Chartres mit seinen Siegen gegen Gerell und Gardos zu großer Form auf, und vor Baum kann FCS-Sportchef Berg ohnehin nur den Hut ziehen: "Er lässt uns nicht hängen, das rechnen wir ihm hoch an." Baum hatte vor der Runde einen Vertrag für eine bestimmte Anzahl an Spielen unterschrieben, schließlich war er ja als flexbibler Faktor geplant. Diese hat er längst überschritten - und ist aus der Saarbrücker Mannschaft nicht mehr wegzudenken. Auch nicht im Bundesliga-Topspiel an diesem Sonntag um 15 Uhr in der Joachim-Deckarm-Halle gegen den Tabellenzweiten TTF Ochsenhausen.

Bleibt noch das Saarbrücker Sorgenkind Franziska, das auch weiterhin zuschauen muss. "Es ist immer noch diese Hüftgeschichte", erzählt Franziska in einem Interview: "Im Hüftkopf hat sich Wasser abgelagert. Entdeckt haben wir das eher zufällig, da ich keine Schmerzen hatte und auch immer noch keine habe." Der Neuzugang aus Düsseldorf pausiert auf Anraten der Ärzte, um keine Folgeschäden an Knochen und Knorpel zu riskieren: "Ich will noch zehn oder 15 Jahre Tischtennis spielen, nicht nur noch ein Jahr." Ende Februar steht eine erneute MRT-Untersuchung an. Dann wird entschieden, ob Franziska eventuell wieder mit dem Training beginnen kann. Mindestens so lange wird er sicher ausfallen. Erwin Berg gefällt das nicht, aber er akzeptiert es natürlich - auch weil er mit der Verpflichtung eines vierten Topspielers vorgesorgt hat.

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