Der Vielflieger ist wieder zu Hause gelandet

Saarbrücken/Merzig · 2012 fliegt er bei den Olympischen Spielen über 5,91 Meter – und zur Bronzemedaille. 2013 wird er Weltmeister. In der Karriere von Raphael Holzdeppe ging es in den vergangenen Jahren stetig nach oben. Doch 2014 dann der Rückschlag. Nun ist er zu seinen Wurzeln nach Zweibrücken zurückgekehrt.

 Der Gewinn des WM-Titel 2013 war der größte Erfolg des Zweibrücker Stabhochspringers Raphael Holzdeppe. Foto: Birkenstock

Der Gewinn des WM-Titel 2013 war der größte Erfolg des Zweibrücker Stabhochspringers Raphael Holzdeppe. Foto: Birkenstock

Foto: Birkenstock

Der Blick von Raphael Holzdeppe geht nach oben. Hoch in die tiefschwarze Kuppel des Merziger Zeltpalasts. "Ich bin ja schon überall gesprungen. In Einkaufszentren, auf Marktplätzen - aber noch nie in einem Zirkuszelt", sagt der Zweibrücker und grinst. "Ich freue mich auf das Neujahrsspringen hier. Es wird interessant, so ins Dunkel und ins Nichts zu springen."

Das Neujahrsspringen am 3. Januar (siehe "Auf einen Blick") wird der erste Wettkampf des Stabhochsprung-Stars seit Sommer werden - und irgendwie ist die Szenerie im Zeltpalast symptomatisch. Denn im Dunkeln tappte Holzdeppe in dieser Saison öfters.
Katastrophen-Saison 2014

In den Jahren zuvor war der 25-Jährige der Überflieger der deutschen Leichtathletik: Olympiadritter 2012 in London, erster deutscher Weltmeister in der Disziplin 2013 in Moskau. Dazu Leichtathlet des Jahres in Deutschland. Doch 2014 ging plötzlich nichts mehr. Holzdeppe, der von seiner hohen Anlaufgeschwindigkeit lebt und dabei fast so schnell wie ein 100-Meter-Läufer ist, fehlte einfach das Gespür fürs Fliegen. "Der Körper war müde", sagt der Zweibrücker: "Die Monate nach dem WM-Titel waren emotional und körperlich anstrengend. Auch wegen der vielen Reisen: USA, Schanghai, Tschechien. Das nimmt einen schon mit." Kein Wunder: Mit der Summe seiner Sprünge in einem Jahr könnte Holzdeppe locker den Mount Everest (8848 Meter) überspringen.

Der Überflieger landete hart auf dem Boden der Tatsachen: Im Winter streikte erst der Rücken, im Sommer dann die Wade. Folge: Sechs Meter hatte er als Saisonziel angepeilt - am Ende aber standen nur 5,53 Meter da. Dem mit buchstäblich hohen Erwartungen ins Jahr gestarteten Weltmeister fehlten sogar 17 Zentimeter zur Europameisterschafts-Qualifikation. Während die Kollegen dort um Medaillen kämpften, brach Holzdeppe, der die EM eigentlich gewinnen wollte, die Saison wegen Formschwäche frustriert ab.

Ob 2014 das bitterste Jahr seiner Karriere war? Holzdeppe überlegt. "Nein, das war 2009", sagt er. Damals wurde der Pfälzer U23-Europameister, doch dann fand ausgerechnet die Heim-WM in Berlin ohne ihn statt. "So eine Chance hat man nur einmal im Leben. Das war richtig bitter."

Dieses Jahr habe es drei, vier Wochen gedauert, bis die Saison abgehakt war. "Ich hatte erst mal 14 Tage abgeschaltet und dann analysiert, was schief gelaufen ist", sagt Holzdeppe. "Und daraus muss man lernen." Für ihn selbst bedeutet das: "Den Schwerpunkt des Trainings etwas mehr aufs Technische legen - und nicht bis zur absoluten Erschöpfung trainieren." Er macht eine kurze Pause, dann sagt er: "Ich glaube, ich bin da jetzt auf einem sehr guten Weg."
Heimweh führt ihn zurück

Dieser Weg führte ihn auch wieder nach Hause. Im Winter 2012 war Holzdeppe vom heimischen Zweibrücken nach München zu Trainer Chauncey Johnson gewechselt. Der machte ihn zum Weltmeister - doch vor ein paar Wochen, im September, gab Holzdeppe seine Rückkehr nach Zweibrücken bekannt. "Der Wechsel nach München vor zwei Jahren war der richtige Schritt", erklärt er: "Ich habe viel gelernt und hatte zwei sehr gute Jahre dort, in denen ich sowohl Höhen als auch Tiefen aus sportlicher Sicht erlebt habe. Aber ich hatte auch Heimweh. Jetzt ist es deshalb richtig, zurückzukommen. Hier kann ich bei Freunden und Familie sein - und habe sportlich auch alle Möglichkeiten." Die Familie ist ihm, der kurz nach seiner Geburt adoptiert wurde und seine leiblichen Eltern nicht kennt, wichtig. Und so kehrte er zu seinen Wurzeln zurück, wohnt in Saarbrücken mit Freundin Sosthene Moguenara, einer der besten deutschen Weitspringerinnen , zusammen - und trainiert wieder in Zweibrücken mit Ex-Trainer Andrei Tiwontschik. "Ich freue ich mich auf die Zusammenarbeit, die Herausforderung, ihn in die Weltspitze zurückzuführen", sagt der.

Seit 6. Oktober läuft das Grundlagen-Training für die kommende Saison, in der unter anderem die WM in Peking ansteht. "Ich fühle mich gut. Aber an die WM verschwende ich noch keinen Gedanken", sagt Holzdeppe. "Natürlich will man einen Titel immer verteidigen. Aber ich will zuerst einfach wieder ins Wettkampfgeschehen eingreifen." Das wird er im Januar erstmals in Merzig tun. "Wenn die Hallen-Saison dann vorbei ist und man weiß, wie die Form ist, kann ich mehr sagen zur WM." Die sechs Meter sind aber auf jeden Fall immer noch ein Ziel - und die Olympischen Spiele 2016 in Rio. Dass er nach einer Talsohle höher springen kann als je zuvor, hat er ja schon nach 2009 bewiesen.

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Auf einen Blick

Merzig statt Garmisch-Partenkirchen, Zeltpalast statt Olympiaschanze. Am 3. Januar findet in Merzig erstmals ein Neujahrsspringen statt - allerdings mit Stabhochspringern statt Ski-Adlern. Am Start sind neben Weltmeister Raphael Holzdeppe unter anderem der Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von London, Björn Otto, sowie der Weltmeister von 2011, Pawel Wojciechowski. Umrahmt wird die Veranstaltung von Auftritten der Magic Artists. Los geht es um 17 Uhr, das Einspringen findet ab 15 Uhr statt. Karten zum Preis von 15 Euro (ermäßigt 10 Euro) sind bei Ticketregional erhältlich. wip

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