Der Traum lebt weiter

Seit 20 Jahren hat keine deutsche Tennisspielerin mehr in Wimbledon gewonnen. Angelique Kerber bietet sich nun die Chance. Im Halbfinale wirkte sie nervös, gewann gegen Venus Williams aber trotzdem.

London. Angelique Kerber kniete nach dem Final-Einzug in Wimbledon auf dem Heiligen Rasen und warf Kusshändchen ins Publikum. Als erste Deutsche seit Steffi Graf kann die 28-Jährige in London gewinnen. 20 Jahre nach dem letzten Titel ihres Idols zog Deutschlands neuer Tennis-Liebling nach einer überzeugenden Leistung erstmals in das Endspiel des berühmtesten Turniers der Welt ein. Trotz eines nervösen Anfangs setzte sich die Kielerin gestern gegen die fünfmalige Wimbledon-Gewinnerin Venus Williams aus den USA 6:4, 6:4 durch. Am Samstag kann sich die Kielerin mit einem Erfolg über Serena Williams als erste Deutsche seit 1996 in der Historie des Rasenturniers verewigen.

"Es ist unglaublich, Venus im Halbfinale zu schlagen. Venus ist ein Champion und hat hier schon so oft gewonnen", sagte Kerber, nachdem sie mit einer Weltklasse-Vorhand nach 72 Minuten den ersten Matchball verwandelt hatte. "Der letzte Punkt war super. Ich genieße gerade wirklich mein Tennis-Leben. Es ist super zum zweiten Mal im Grand-Slam-Finale zu sein." Wenn die deutsche Nummer eins zur ersten deutschen Wimbledon-Königin seit Grafs Finalsieg über Arantxa Sánchez-Vicario vor 20 Jahren werden will, muss sie damit ihr Meisterstück aus Australien wiederholen. Vor gut fünf Monaten gewann Kerber im Endspiel gegen die Nummer eins der Damen-Welt ihren ersten Grand-Slam-Titel und löste eine kurzzeitige Tennis-Euphorie aus.

Die Weltranglisten-Erste Serena Williams ließ im ersten Auftritt des Tages auf dem Centre Court der russischen Halbfinal-Debütantin Jelena Wesnina keine Chance. Nur 48 Minuten brauchte sie für den 6:2, 6:0-Erfolg. Es ergibt sich damit auch ein weiteres interessantes Szenario: Kerber kann - wie in Melbourne - zugleich Grafs Grand-Slam-Rekord von 22 Titeln verteidigen. Holt Williams ihren siebten Wimbledon-Erfolg, zieht sie mit Graf gleich. Die 47-Jährige hatte schon am Vortag Grüße übermittelt. "Angie hat wieder zu ihrer guten Form der Australian Open zurückgefunden", erklärte Graf. "Ich glaube, dass sie jetzt auch Chancen hat, weiter erfolgreich dort zu spielen."

Für ihr zweites Wimbledon-Halbfinale betrat Kerber den Centre Court an einem denkwürdigen Jubiläumstag der deutschen Tennis-Geschichte. Auf den Tag genau vor 25 Jahren triumphierte in einem deutschen Wimbledon-Finale Michael Stich über Boris Becker . Die Linkshänderin wirkte zu Beginn der Partie nervös. Fünf Spiele konnte keine ihren Aufschlag halten, dann brachte die Norddeutsche erstmals ihr Service durch. Mit 5:2 führte sie, musste ihre 36 Jahre alte Rivalin wieder auf 5:4 herankommen lassen. Als ihr ein Stoppball misslang, zuckte sie etwas ratlos die Schultern. Doch eine verschlagene Vorhand von Williams bescherte ihr wenig später den ersten Satz. Immer wieder rückte die Williams ans Netz vor, um Kerber in Bedrängnis zu bringen. Sie spielte aber nicht stark genug, um die deutsche Nummer eins aufzuhalten.

Nach dem bitteren Erstrunden-Aus in Paris hat sich die Linkshänderin damit eindrucksvoll zurückgemeldet. Wie nach Melbourne wird sie in der Weltrangliste nach Wimbledon wieder auf Position zwei geführt, direkt hinter Serena Williams .

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Auf einen Blick Lokalmatador Andy Murray und Zverev-Bezwinger Tomas Berdych spielen heute um den Finaleinzug in Wimbledon . Der Brite Murray setzte sich im Viertelfinale gegen Jo-Wilfried Tsonga aus Frankreich mit 7:6 (12:10), 6:1, 3:6, 4:6, 6:1 durch. Berdych (Tschechien) gewann gegen Außenseiter Lucas Pouille (Frankreich) souverän mit 7:6 (7:4), 6:3, 6:2. Im zweiten Halbfinale treffen Roger Federer und Milos Raonic aufeinander. Der Schweizer Federer setzte sich in einer dramatischen Partie über fünf Sätze 6:7, 4:6, 6:3, 7:6, 6:3 gegen Marian Cilic aus Kroatien durch. Raonic (Kanada) gewann gegen Djokovic-Bezwinger Sam Querrey aus den USA 6:4, 7:5, 5:7, 6:4. sid

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