Tennis/US Open Der Spielverderber aus Argentinien

New York · Juan Martin del Potro schaltet Roger Federer im Viertelfinale der US Open aus und trifft nun auf Rafael Nadal.

Roger Federer konnte es kaum erwarten, dem Spielverderber von New York den roten Teppich auszurollen. Keine zehn Minuten nach seinem bitteren Viertelfinal-K.o. bei den US Open gegen Juan Martin del Potro saß der Schweizer um Punkt Mitternacht vor der Weltpresse. Und seine Analyse war der eines Superstars mehr als würdig. „Es ist besser, dass ich ausgeschieden bin und jemand anders jetzt die Chance bekommt, es besser zu machen. Juan wird im Halbfinale eine größere Chance auf einen Sieg haben als ich es hätte. Er hat es verdient“, sagte Federer nach dem 5:7, 6:3, 6:7 (8:10), 4:6 im Duell mit dem Argentinier.

Das Traum-Halbfinale gegen Rafael Nadal? Geplatzt. Federer, der im Tiebreak vier Satzbälle und eine mögliche 2:1-Satzführung vergab, gestand sogar eine Verunsicherung ein. „Ich habe gespürt, dass für mich im Halbfinale kein Platz war. Meine Leistung war körperlich, mental und spielerisch nicht gut genug, um solch ein Turnier gewinnen zu können.“ Dieses Gefühl eigener Schwäche und Verletzbarkeit, das möge er gar nicht, verriet der diesjährige Wimbledon- und Australian-Open-Champion in einer denkwürdigen Fragerunde: „Ich habe schon das ganze Turnier über gespürt, dass ich verlieren werde, wenn ich auf einen guten Gegner treffe.“

In der Vorschlussrunde von Flushing Meadows steht nun del Potro. Der hünenhafte Gaucho mit der Hammer-Vorhand und dem sanften Gemüt, der für viele an diesem Abend aber einfach nur ein Spielverderber war. „Delpo“ verhinderte durch seine Gala das ersehnte Traum-Halbfinale zwischen Federer und dem topgesetzten Nadal, der seine Weltranglistenführung nun behalten wird. Es wäre die 38. Auflage des in dieser Saison wiederbelebten Klassikers gewesen – und kurioserweise der erste Vergleich der Dauerrivalen bei den US Open. Gut möglich, dass dieser weiße Fleck auf der historischen Tennis-Karte für immer bleibt.

Bezeichnend für das allgemeine Wunschdenken war, dass Nadal nach seinem lockeren 6:1, 6:2, 6:2 im Viertelfinale gegen den 19-jährigen Andrej Rublew (Russland) sieben Fragen zu einem möglichen Duell mit Federer beantworten musste – und nur eine zu del Potro. Ein paar Stunden später aber war nur noch diese relevant. Nicht zuletzt, weil Federer vor 23 771 Zuschauern im ausverkauften Arthur-Ashe-Stadium ungewohnte Fehler fabrizierte. In seiner Box war nicht nur Vogue-Chefin Anna Wintour und Ikone Stefan Edberg die Anspannung anzusehen. Symptomatisch: Ein ins Netz geschlagener Überkopfball des 19-maligen Major-Champions im vierten Satz ermöglichte del Potro einen Breakball, den der argentinische Davis-Cup-Held zur vorentscheidenden 3:2-Führung nutzte.

Del Potro bekreuzigte sich nach dem Triumph unter den Jubelgesängen seiner Fans. Und das fast exakt acht Jahre nach seinem Sieg gegen Federer im US-Open-Finale 2009 an selber Stelle. „Dieser neuerliche Erfolg an diesem besonderen Ort war so wichtig für mich. Gegen Roger ist es nicht leicht, die Liebe der Zuschauer zu erobern“, sagte der Weltranglisten-28. Nach drei Handgelenk-Operationen und Depressionen war der „Turm von Tandil“ bis auf Platz 1045 der Weltrangliste (Februar 2016) abgestürzt.

Während Federer vor dem Endspurt einer „insgesamt tollen Saison“ erst einmal pausiert, rüstet sich Nadal für den Schlagabtausch mit del Potro. „Er hat wahrscheinlich die schnellste Vorhand auf der Tour“, sagte der French-Open-Rekordsieger, der seinen dritten New-York-Titel holen will. Im anderen Halbfinale stehen sich ebenfalls heute Pablo Carreno Busta (Spanien/Nr. 12) und Kevin Anderson (Südafrika/Nr. 28) gegenüber.

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