Der Schnauzbart zieht die Reißleine

Stuttgart · Trainer Jos Luhukay ist bei Fußball-Zweitligist VfB Stuttgart entnervt vom Streit mit Sportvorstand Jan Schindelmeiser zurückgetreten. Als Kandidat für die Nachfolge gilt der frühere Hoffenheimer Markus Gisdol.

 Jos Luhukay sitzt allein am Spielfeldrand. Eine Szene, die seine Situation in den vergangenen Wochen sehr gut beschreibt. Gestern entschied sich der Stuttgarter Trainer zum Rücktritt. Foto: Maurer/dpa

Jos Luhukay sitzt allein am Spielfeldrand. Eine Szene, die seine Situation in den vergangenen Wochen sehr gut beschreibt. Gestern entschied sich der Stuttgarter Trainer zum Rücktritt. Foto: Maurer/dpa

Foto: Maurer/dpa

Dem öffentlichen Knatsch folgte der große Knall: Mit seinem Rücktritt nach nur 121 Tagen Amtszeit hat Trainer Jos Luhukay Fußball-Zweitligist VfB Stuttgart vier Monate nach dem Bundesliga-Abstieg in schwere Turbulenzen gestürzt. Der Niederländer, der beim fünfmaligen deutschen Meister am 17. Mai mit dem Ziel direkter Wiederaufstieg angetreten war, gab zermürbt vom Zwist mit Sportvorstand Jan Schindelmeiser auf.

Die Clubführung um Schindelmeiser nahm gestern in einer Sitzung mit Luhukay das Angebot des Trainers an, dessen bis 2019 laufenden Vertrag aufzulösen. Luhukay erhält auf eigenen Wunsch keinerlei Abfindung. "Das zeigt, dass Jos ein gerader Charakter ist", sagte Schindelmeiser am Nachmittag in einer Pressekonferenz, in der das zerrüttete Verhältnis der beiden leitenden Angestellten offen zutage trat. Bereits "nach dem ersten Gespräch" mit Luhukay habe er gespürt, dass es schwierig werden würde, sagte Schindelmeiser. Er sei überzeugt davon, "große Dinge nur gemeinsam anzugehen, im Team. Jos hatte da seine eigenen Vorstellungen".

Der Abschied falle ihm nicht leicht, teilte Luhukay über seinen Dortmunder Anwalt Markus Buchberger mit. Die Arbeit in einem großen Traditionsverein wie dem VfB funktioniere nur, "wenn volle Rückendeckung von den entscheidenden Personen besteht". Diese habe er nicht gespürt - ein Seitenhieb auf Schindelmeiser, der knapp zwei Monate nach ihm beim VfB angeheuert hatte.

Der 53-jährige Luhukay wurde damit erneut seinem Ruf als "kleiner Napoleon " gerecht. Beim SC Paderborn hatte er 2006 ebenso im Streit mit der Clubführung hingeschmissen wie beim FC Augsburg 2012. Am Neckar ging es jetzt vor allem um die Kaderzusammenstellung. Luhukay monierte, Schindelmeiser habe zu viele unerfahrene Kräfte geholt und sei mitverantwortlich für den durchwachsenen Start mit je zwei Siegen und zwei Niederlagen in vier Zweitligaspielen und Tabellenplatz neun.

Der Abschied von Luhukay hatte sich abgezeichnet. Zuletzt hatte er das Verhältnis zu Schindelmeiser als "wenig harmonisch" bezeichnet, wofür ihn Aufsichtsrat Wilfried Porth rüffelte. "Für den Trainer gilt es, sich auf das zu konzentrieren, wofür wir ihn geholt haben", sagte er.

Besser machen sollen es sein bisheriger Assistent Olaf Janßen mit den ehemaligen VfB-Profis Andreas Hinkel und Heiko Gerber. Das Trio, das Schindelmeiser eine Interimslösung nannte, gibt morgen Mittag (13 Uhr) gegen den 1. FC Kaiserslautern sein Debüt. Ein neuer Trainer soll zeitnah verpflichtet werden. Als Kandidat gilt der frühere Hoffenheimer Markus Gisdol, der einst die U17 des VfB trainierte. "Das werde ich nicht weiter kommentieren. Sie wissen aber auch, dass ich ihn aus meiner Hoffenheimer Zeit gut kenne", sagte Schindelmeiser. "Eigentlich", ergänzte der Sportchef, "haben wir in der Mannschaft alles, um erfolgreich zu sein." Aber: "Wir müssen das Potenzial heben. Wir sind vom Maximum unserer eigenen Möglichkeiten viel weiter weg als von der Konkurrenz."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort