Der "Mülleimer Europas"?

Warschau. Zur Not läuft die Verständigung auf Englisch. Beim verbalen Zusammenspiel mit ihren Mannschaftskollegen Ludovic Obraniak oder Damien Perquis müssen die polnischen Nationalspieler auf ihre Muttersprache verzichten. Die beiden Profis von Girondins Bordeaux und dem FC Sochaux tragen zwar das Trikot des EM-Gastgebers, können aber kaum polnisch

Warschau. Zur Not läuft die Verständigung auf Englisch. Beim verbalen Zusammenspiel mit ihren Mannschaftskollegen Ludovic Obraniak oder Damien Perquis müssen die polnischen Nationalspieler auf ihre Muttersprache verzichten. Die beiden Profis von Girondins Bordeaux und dem FC Sochaux tragen zwar das Trikot des EM-Gastgebers, können aber kaum polnisch. Auf Kritik an der Einbürgerung der in Frankreich geborenen und aufgewachsenen Spieler reagiert Nationaltrainer Franciszek Smuda unwirsch: "Wir sind nicht das einzige Land, das so etwas tut. Ich habe nur Spieler nominiert, die polnische Wurzeln haben."Seit seinem Amtsantritt 2009 klagt der Fußball-Lehrer über den Mangel an guten Fußballern in der Ekstraklasa. Nur fünf Profis aus seinem EM-Kader verdienen ihr Geld in der heimischen Liga. Smuda sah sich im Ausland nach geeigneten Kandidaten um. Den Anfang machte Mittelfeldspieler Obraniak im August 2009. Danach folgten die in Polen geborenen, aber schon in der deutschen U 21 Nationalmannschaft eingesetzten Bundesliga-Legionäre Sebastian Boenisch (Bremen) und Eugen Polanski (Mainz). Vierter im Bunde ist Perquis, der im Test gegen Deutschland im vorigen September debütierte. "Diese Spieler haben bei uns für frischen Wind gesorgt", befand Smuda.

Die Maßnahme brachte ihm Kritik vor allem aus der rechten Ecke ein. Zwar ist die politische Debatte über echte und falsche Nationalspieler zurzeit verstummt, dürfte aber im Falle eines frühen Scheiterns des Teams wieder aufleben. Besonders heftige Schelte übte Jan Tomaszewski. "Das ist keine typische polnische Mannschaft mehr, sondern der Mülleimer Europas", klagte der ehemalige Torwart der WM-Mannschaft von 1974 und heutige Politiker.

Zur Erleichterung von Obraniak steht die Mehrheit der Polen jedoch auf der Seite von Smuda. Deshalb hat der Mittelfeldspieler seinen Entschluss bisher nicht bereut. "Als ich die Chance bekam, für Polen zu spielen, ging mir Einiges durch den Kopf. Mein Großvater hat noch in Polen gelebt", sagte der 28 Jahre alte Profi. "Ich bin in einem anderen Land geboren, spreche die Sprache nicht. Aber ich werde auf dem Platz zeigen, dass ich dazugehöre", sagte Obraniak vor der EM.

Innerhalb der Mannschaft ist die Integration der "Ausländer" ohnehin kein Problem. Das kollegiale Miteinander machte es auch dem Mainzer Polanski leichter, der im vorigen Jahr erstmals für sein Geburtsland auflief: "Es war die richtige Entscheidung. Ich bin stolz darauf, für Polen zu spielen." dpa

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