Der Mann, der mit der Zeit spielt

Berlin. Die Zeit ist eine große Meisterin. Sie ordnet die Dinge, sie gibt Halt, sie gibt eine Richtung vor, sie ist manchmal einfach unbegreiflich. Und es gibt nur wenige Menschen, die mit ihr spielen können. Usain Bolt kann das. Dabei kommt der 22-Jährige aus einem Land, in dem die Zeit kaum ein Rolle spielt: aus Jamaika

Berlin. Die Zeit ist eine große Meisterin. Sie ordnet die Dinge, sie gibt Halt, sie gibt eine Richtung vor, sie ist manchmal einfach unbegreiflich. Und es gibt nur wenige Menschen, die mit ihr spielen können. Usain Bolt kann das. Dabei kommt der 22-Jährige aus einem Land, in dem die Zeit kaum ein Rolle spielt: aus Jamaika. Aus dem Land des Müßigganges, von der Insel, die nur über die Zeiten redet, die jamaikanische Sprinter auf die Laufbahnen dieser Welt zaubern. Und Bolt ist ihr größter Zauberer.

Das weiß nicht nur Jamaika, das weiß spätestens seit Sonntag die ganze Welt.

Bei der Leichtathletik-WM zerriss er seinen alten 100-Meter-Weltrekord (9,69 Sekunden) förmlich in der Berliner Luft: Nach 9,58 Sekunden lief er ins Ziel. In 41 Schritten mit einem Spitzen-Tempo von 45 Kilometern pro Stunde. 51 000 Zuschauer im Olympiastadion und mehr als zehn Millionen deutsche Zuschauer vor den Fernsehgeräten sahen: Die Zeit ist keine Illusion. "Alles lief perfekt. Das ist ein großer Moment der Geschichte", sagte Bolt, hatte aber nur bedingt recht, wie er selbst einsah: "Ich denke, es wird erst bei 9,40 aufhören. Alles ist möglich."

Es war also doch nicht alles perfekt. Dafür hat der 1,96 Meter große und 86 Kilo schwere Sprinter natürlich Erklärungen parat: "Ich bin zwar definitiv gut in Form, aber noch nicht in der Form von Peking", erklärte er. Zur Erinnerung: Bei den Olympischen Spielen im Reich der Mitte hatte er 2008 neben dem 100-Meter-Rekord (9,69) auch noch den 200-Meter-Weltrekord (19,30) und mit drei jamaikanischen Kollegen den Weltrekord über die 4 x 100 Meter (37,10) aufgestellt.

Zurück zur Ausrede, warum die 9,40 nicht fiel: "Ich habe diese Saison mit dem Training spät angefangen. Außerdem hatte ich zwischendurch einen Autounfall, bei dem ich mich am Fuß verletzt hatte", sagt Bolt. Dass er auch Probleme mit der Ernährung hatte, soll auch nicht unerwähnt bleiben: Schon in Peking soll er sich mit Chicken Nuggets "gedopt" haben. Auch in Berlin wollte er nicht auf Fast Food verzichten, obwohl ihm das sein Trainer verboten hatte. Doch "glücklicherweise habe ich einen McDonalds gefunden, so dass ich Nuggets zu Mittag hatte."

Von diesen Problemen war beim Lauf für den Unwissenden nichts zu spüren. Weder für die Zuschauer, noch für seinen vermeintlich größten Konkurrenten Tyson Gay. Der nahm sich auch nicht viel Zeit für die 100 Meter: 9,71 Sekunden, Zweiter. Dritter wurde Bolts Landsmann Asafa Powell in 9,84 Sekunden. Vergleich gefällig? Der deutsche Rekord von Frank Emmelmann steht bei 10,06 Sekunden (elektronisch gestoppt) - seit 24 Jahren.

Dass Powell und Gay großen Anteil an Bolts Weltrekord haben, bestätigte der große Zauberer großmütig: "Ich liebe es einfach, gegen diese Jungs anzutreten. Es motiviert mich." Vor allem Gay: "Tyson ist ein großartiger Athlet, er pusht mich auf ein höheres Niveau." Gay saß neben ihm auf der Pressetribüne, lachte genau nur einmal, als Bolt erklärte: "Duelle wie die zwischen Tyson und mir machen die Leichtathletik auch bei Sponsoren interessant. Dadurch haben wir beide ein schönes Leben."

112 700 Euro kassierte Bolt für die 9,58 Sekunden. Nach dem 200-Meter-Finale am Donnerstag (20.35 Uhr) könnte sich die Summe verdoppelt haben. Doch der Meister aller Zeiten dämpft die Erwartungen. "Ich glaube nicht, dass ich über 200 Meter Weltrekord laufe. Das Rennen wird sehr schwierig. Tyson ist der 200-Meter-Champion, er wird jetzt sicher nicht mit mir um die Wette lächeln." Ganz sicher: Gestern hat Gay zu später Zeit seinen Start abgesagt.

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