Der Internationale Sportgerichtshof und seine schwindende Glaubwürdigkeit

Lausanne. Ungereimtheiten im Fall Alberto Contador, Verzögerungen bei der Entscheidung über eine Dopingsperre für Jan Ullrich - die Kritik am Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne wird laut und findet Gehör. "Ich bin der Meinung, dass der CAS ein abhängiges Gericht ist und es dort keine gerechten Verfahren gibt

Alberto Contador (links) und Jan Ullrich müssen auf ihre Urteile am Internationalen Sportgerichtshof noch warten. Fotos: Bouvy/Seeger/dpa

Lausanne. Ungereimtheiten im Fall Alberto Contador, Verzögerungen bei der Entscheidung über eine Dopingsperre für Jan Ullrich - die Kritik am Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne wird laut und findet Gehör. "Ich bin der Meinung, dass der CAS ein abhängiges Gericht ist und es dort keine gerechten Verfahren gibt. Den Wunsch, dass jeder vor dem CAS gleich ist, gibt es nicht", sagt der Heidelberger Sportjurist Michael Lehner unmissverständlich.

"Ein einziges Desaster"

Lehner hat schon die ein oder andere Dienstreise nach Lausanne absolviert und dabei die Erfahrungen gemacht, es gebe beim CAS eine unterschiedliche Behandlung von Athleten. "Die Sportgerichtsbarkeit tobt sich häufig bei den Kleinen aus, aber von den großen Fällen lässt sie die Finger", sagt Lehner, der bei zahlreichen Radprofis als Rechtsbeistand fungiert hat.

Große Fälle liegen seit Monaten auf den Schreibtischen im edlen Anwesen am Genfer See. Insbesondere geht es um Ullrich und Contador. Ullrich muss nun noch bis zum 10. Februar auf ein Urteil bezüglich seiner Verstrickung im Skandal um Dopingarzt Eufemiano Fuentes vor über fünf Jahren warten (die SZ berichtete).

Bei Contador sieht es anders aus. Die "Operacion Puerto" ist am Spanier - seine Initialen AC verschwanden einst wie von Geisterhand aus den Akten - schadlos vorübergegangen. Dafür muss er sich wegen seines positiven Befundes auf Clenbuterol bei der Tour de France 2010 verantworten. Contador beharrt auf seiner abenteuerlich anmutenden Geschichte vom verunreinigten Stück Fleisch und hofft bei der nun für Ende Januar terminierten Entscheidung auf einen positiven Ausgang. "Ein einziges Desaster" sei die Causa Contador, hatte jüngst der frühere Radprofi Rolf Aldag in der "Süddeutschen Zeitung" kritisiert.

Doch der Fall Contador hat es in sich. So wurde bei der Anhörung im November Anti-Doping-Experte Michael Ashenden, einer der Hauptzeugen der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), von den drei CAS-Richtern abgewiesen. Ashenden sollte die These von einer möglichen Bluttransfusion des Spaniers stützen, durfte aber nicht. Vorsitzender CAS-Richter ist der Israeli Ephraim Barak. Jener Barak, der ausgerechnet einen Monat vor Prozessbeginn zwei Mal nach Spanien reiste.

Doch damit nicht genug. Kurz nach den CAS-Verhandlungen fand das erste Teamtreffen von Contadors Rennstall Saxo Bank statt - in Israel. RadioShack-Geldgeber Flavio Becca sieht hier einen Zusammenhang: "Ein Israeli leitet den Fall Contador, und sein Rennstall Saxo-Bank bestreitet ein Trainingscamp in Israel und wird dort von der Regierung empfangen. Das sind Fakten, die nicht getrennt werden können. Ich glaube, alles ist schon entschieden", sagt Becca.

Offenbar keine Einigkeit

Der CAS verschob daraufhin sein Urteil, gab beiden Parteien noch einmal die Möglichkeit, Einwände vorzutragen. Die Contador-Gegner Wada und der Weltverband UCI vertrauen aber der Unabhängigkeit des Gerichts. Sportjurist Lehner ist da vorsichtiger. Bereits die Nennung des vorsitzenden Richters gebe einen Wink, in welche Richtung das Pendel ausschlagen solle. Allein die lange Verfahrensdauer bei Contador sei eine Schonung für den Athleten gewesen. Das habe Stefan Schumacher seinerzeit nicht gedurft. Lehner hatte den früheren WM-Dritten einst in dessen Dopingfall vertreten, war aber mit dem Einspruch gegen eine Sperre gescheitert.

Lehner ist von der Verzögerungs-Taktik des CAS nicht überrascht: "Aus meiner Erfahrung sind die ständigen Verschiebungen darin begründet, dass keine Einigkeit über das Urteil herrscht. Ich vermute, dass noch viel diskutiert wird. Es liegt großer Druck auf den Richtern."

Spannend wird es allemal - auch im Fall Ullrich. Im schlimmsten Fall muss der Tour-de-France-Sieger von 1997 eine lebenslange Sperre fürchten, da er schon einmal für sechs Monate wegen Dopings gesperrt war. Doch Ullrich will eigentlich nur einen Schlussstrich unter seine Vergangenheit ziehen. "Er tut mir Leid. Er will nach vorne gucken, kann es aber nicht", sagt Michael Lehner. dapd