Der heimliche Chef und die einmalige Chance

Rio de Janeiro · Lionel Messi ist der Star und auch der offizielle Kapitän der Argentinier. Doch der eigentliche Chef des deutschen Endspiel-Gegners heißt Javier Mascherano. Der 30-Jährige vom FC Barcelona gibt im Team ganz klar den Takt an.

Der Mittelkreis ist bei dieser Weltmeisterschaft das Revier von Javier Mascherano. Nach dem Elfmeterschießen im Halbfinale gegen die Niederlande fiel der heimliche Kapitän der Argentinier genau dort auf die Knie und ballte sekundenlang wie von Sinnen seine Fäuste. Alle Spieler stürmten auf Torwart Sergio Romero zu, nur Mascherano und Verteidiger Ezequiel Garay verharrten in einer innigen Umarmung am Anstoßpunkt.

Die Szene zeigt die große Erleichterung eines mittlerweile 30 Jahre alten Weltklasse-Spielers, der an diesem Sonntag gegen Deutschland zum ersten Mal in einem WM-Finale steht, nachdem er zuvor 2006 und 2010 jeweils gegen den gleichen Gegner auf äußerst schmerzhafte Weise ausgeschieden ist. "Wir haben Argentinien wieder in den Kreis zurückgebracht, in den es hinein gehört. 24 Jahre lang nicht mindestens ein WM-Halbfinale erreicht zu haben, ist eine viel zu lange Zeit für eine Fußball-Nation von unserer Größe", meinte Mascherano. Über das Endspiel selbst sagte er: "So etwas erlebt man vielleicht nur einmal im Leben. Aber noch haben wir nicht Geschichte geschrieben."

Das Zentrum des Spiels ist auch sportlich Mascheranos Heimat. Er ist der Chef im argentinischen Mittelfeld, bei ihm beginnt nahezu jeder Angriff, von dort aus dirigiert er seine Mitspieler. Das Besondere daran ist, dass er nur der heimliche, aber nicht der offizielle Kapitän des WM-Finalisten ist. Wahrscheinlich gab es im gesamten Turnier keinen zweiten Spieler, der einen derart großen Einfluss auf seine Mannschaft hat, ohne dabei die Binde zu tragen. "Messi ist das Herz der Argentinier, Mascherano ist die Lunge und auch das Hirn", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" dazu.

Superstar Messi und nicht den Strategen Mascherano zum Kapitän zu ernennen, war vor drei Jahren vor allem eine symbolische Entscheidung des Trainers Alejandro Sabella. Er wollte damit den in der Heimat nicht immer unumstrittenen Stürmerstar stärken. An den internen Abläufen hat das aber aber nicht viel geändert. Sabella bespricht jede wichtige Entscheidung nach wie vor mit Mascherano. Während des Halbfinals gegen die Niederlande war es "El Jefecito" (das Chefchen) und nicht Messi, der die Mannschaft auf die Verlängerung einschwor und später vor dem Elfmeterschießen Torwart Sergio Romero zur Seite zog. "Ich habe ihm gesagt: Heute ist dein Tag. Du kannst in die Geschichte eingehen." Genauso kam es. Romero hielt zwei Elfmeter.

Das Nebeneinander eines offiziellen und eines heimlichen Kapitäns funktioniert aber nur deshalb, weil sich Messi und Mascherano gut verstehen. Beide spielen schon seit vier Jahren beim FC Barcelona zusammen. Pep Guardiola holte Mascherano einst vom FC Liverpool dorthin. "Er ist intelligent. Solche Spieler will ich immer haben", sagte der heutige Trainer von Bayern München. Mit diesem Satz bestätigte Guardiola auch, was Nationaltrainer Sabella nach dem WM-Halbfinale formulierte: "Mascherano ist wie eine Bastion für unser Team. Mit ihm wollte bislang jeder Trainer unbedingt zusammenarbeiten. Und das waren bei ihm immer große Namen wie Pep Guardiola oder Rafa Benitez."

Junioren-Weltmeister, Champions-League-Sieger, sogar zweimal Olympiasieger ist Mascherano in seiner Karriere schon geworden. Fehlt nur noch der WM-Titel. "Das ist eine einmalige Chance", sagte er vor dem Finale. "Wir sollten sie nutzen."

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