Der große Kampf des Benni Becker

Paris · Es läuft für die deutschen Tennis-Damen in Paris. Sabine Lisicki, Annika Beck und Angelique Kerber stehen bei den French Open bereits in Runde drei. Bei den Herren sorgte Benjamin Becker für eine Überraschung.

Im Windschatten der erfolgreichen deutschen Tennis-Frauen hat Routinier Benjamin Becker gestern bei den French Open den gesetzten Spanier Fernando Verdasco und sich selbst überrascht. Der 33-Jährige aus Orscholz, der erst am Montag das erste Match seiner Karriere im Stade Roland Garros gewonnen hatte, kämpfte Verdasco in 3:13 Stunden mit 10:8 im fünften Satz nieder. Erst zum dritten Mal steht Becker somit in der dritten Runde eines Grand-Slam-Turniers.

"Ich habe gekämpft bis zum Gehtnichtmehr", sagte Becker: "Als ich hierher kam, wollte ich unbedingt eine Runde gewinnen, dass es jetzt zwei sind, stört mich aber nicht." Becker folgte damit Kurzarbeiterin Sabine Lisicki (Berlin/Nummer 20), die nach dem ersten Satz (6:1) von der Aufgabe der Australierin Daria Gavrilova profitiert hatte, und Annika Beck (Bonn). Die Junioren-Siegerin von 2012 setzte ihren Lauf mit einem 6:2, 6:2-Sieg über die polnische Qualifikantin Paula Kania fort. Am frühen Abend folgte dann noch Angelique Kerber (Kiel), die Ajla Tomljanovic aus Aus-tralien mit 6:3, 6:2 bezwang.

Beckers schmerzende Schulter

Die Damen waren nach ihren Auftaktsiegen als Favoritinnen in die Begegnungen gegangen. Doch wer hätte ernsthaft mit einem Erfolg des Wahlamerikaners Becker gerechnet? Zumal der Weltranglisten-48. sich bereits in Runde eins gegen den belgischen Qualifikanten Ruben Bemelmans in fünf Sätzen zum Sieg gequält hatte, und ihm gegen Verdasco die Schulter schmerzte. "Das gehört halt dazu, wenn man zweimal nacheinander fünf Sätze spielt", sagte Becker. Vor dem entscheidenden Durchgang ließ er sich behandeln, eine gute Stunde später kniete er auf dem Sand und zeigte dem Publikum seine Variante der "Becker-Faust". Beim 6:4, 0:6, 1:6, 7:5 und 10:8 hatte er zwar 22 Punkte weniger als sein Gegner gemacht, durfte sich jedoch über seinen vierten Sieg im achten Duell mit Verdasco und über einen Auftritt auf der großen Bühne freuen. In Runde drei trifft Becker morgen auf den Japaner Kei Nishikori.

Mit großen Gegnern unter den besten 32 Spielern eines Grand-Slam-Turniers kennt sich der Deutsche aus. In diesem Jahr verlor er bei den Australian Open das Match um den Einzug ins Achtelfinale gegen Top-Zehn-Spieler Milos Raonic aus Kanada. Einem großen Publikum bekannt geworden war Becker mit einem Sieg bei den US Open, der mittlerweile neun Jahre zurückliegt. In New York hatte er 2006 in der dritten Runde die Karriere des Superstars Andre Agassi beendet. Dessen Landsmann Andy Roddick bezeichnete Becker später als "der Typ, der Bambi erschossen hat". Gegen Nishikori geht Becker wieder als krasser Außenseiter ins Spiel.

Nicht so Sabine Lisicki , die zwar mit Lucie Safarova (Tschechien/Nummer 13) eine höher gesetzte Gegnerin hat, allerdings viel Selbstvertrauen getankt und Kraft gespart hat. Im ersten Satz gegen Gavrilova sei für sie gar nicht zu erkennen gewesen, dass ihre Gegnerin an den Bauchmuskeln verletzt war. "Ich habe die Punkte taktisch sehr gut ausgespielt und war variabel", sagte Lisicki zufrieden. Tatsächlich zeigte die Weltranglisten-19., was sie auf der ungeliebten Asche zu leisten im Stande ist. Sie diktierte die Partie mit einer Mischung aus Powertennis und gefühlvollen Stops, Netzangriffen und Winkelspiel. Großen Anteil am Erfolg - erst zum zweiten Mal nach 2013 steht sie in Runde drei der French Open - schreibt sie Trainer Christopher Kas zu. "Wir verstehen uns immer besser", sagte Lisicki.Von diesem Match hat Anna-Lena Friedsam schon lange geträumt. Sich einmal mit Serena Williams zu messen, der besten Tennisspielerin der Welt und ihrem großen Vorbild - das spukte bereits eine ganze Weile in ihrem Kopf herum. Bei den French Open ist es nun heute so weit: Die Nachwuchs-Hoffnung aus Andernach steht erstmals bei einem Grand-Slam-Turnier in der zweiten Runde - und wird gleich mit der Erfüllung ihres großen Wunsches belohnt. "Ich freue mich riesig", sagte Friedsam, nachdem sie in Paris die amerikanische Qualifikantin Alexa Glatch mit 6:2, 4:6, 6:4 bezwungen hatte. "Jetzt einmal gegen so einen Champion anzutreten, das sollte man mitnehmen."

Als Nummer 105 der Branchenwertung ist Friedsam in die French Open gegangen. Es ist überhaupt erst das vierte Major-Event, bei dem sie im Hauptfeld steht. Doch an Selbstvertrauen mangelt es der Andernacherin nicht. "Mein Plan ist es, die beste Spielerin der Welt zu werden", sagte sie im Oktober 2014 der "Rhein-Zeitung". Bundestrainerin Barbara Rittner hält große Stücke auf sie. "Anna-Lena ist athletisch und vielseitig in ihrem Spiel", lobte Rittner. "Sie muss durch Erfahrung noch selbstbewusster und konstanter werden", sagte die Fed-Cup-Teamchefin über Friedsam, die in der Riege der aufstrebenden deutschen Tennis-Damen hinter Andrea Petkovic und Co. zuletzt ein bisschen im Schatten von Carina Witthöft stand. Was könnte es für Friedsam da Besseres geben als ein Duell mit Serena Williams auf der ganz großen Bühne? "Das ist eine ganz wichtige Erfahrung, um gegen die Beste der Welt zu fühlen, wie es ist", sagte Rittner.

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