Der große Härtetest vor der WM

Nürnberg · Für die Leichtathleten geht es in Nürnberg um die WM-Tickets. Aber Dabeisein ist halt längst nicht alles: Der Verband wird in Peking – ein Jahr vor Olympia – wohl härter als zuletzt um seine Pfründe kämpfen müssen.

Bei den nationalen Meisterschaften an diesem Wochenende in Nürnberg können die deutschen Leichtathleten noch die Wohlfühl-Atmosphäre genießen. Bei der WM könnte es dagegen ungemütlich werden. "Die Wettbewerbssituation vor Peking verschärft sich international immer mehr", befürchtet Chef-Bundestrainer Idriss Gonschinska. Der 47-Jährige schätzt die Konkurrenz bei den Titelkämpfen in China vom 22. bis 30. August stärker ein als 2012 bei den Olympischen Spielen in London.

Bei der WM vor zwei Jahren in Moskau konnte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) mit vier Mal Gold, zwei Mal Silber und ein Mal Bronze mehr als zufrieden sein. Doch Peking weckt böse Erinnerungen: Bei den Sommerspielen 2008 gab es nur ein Mal Bronze - für Speerwerferin Christina Obergföll. Ein Debakel für den DLV.

"Ich denke, dass wir diesmal vom Athletenpotenzial breiter aufgestellt sind, im Durchschnittsalter jünger sind und uns diesmal in Peking etablieren werden", sagt Gonschinska. Doch der Verband hat auch Sorgenkinder - allen voran Diskus-Olympiasieger Robert Harting . Der Berliner hat seit seinem Kreuzbandriss im September keinen Wettkampf bestritten. Harting fehlt auch in Nürnberg . Ob er im "Vogelnest" im Ring stehen wird, ist ungewiss. Möglicherweise konzentriert sich der dreifache Weltmeister ganz auf Olympia 2016 in Rio.

"Vielleicht entscheidet Robert erst kurz vor der WM: Es reicht oder es reicht nicht. Robert geht's gut. Wir kämpfen immer weiter", sagte sein Trainer Torsten Schmidt zuletzt. Dafür ist Hartings jüngerer Bruder Christoph bei den deutschen Meisterschaften dabei, er hat mit seinen 67,93 Metern in diesem Jahr den Sprung in die Weltspitze geschafft.

Auf dem Weg dorthin hat Speerwurf-Weltmeisterin Christina Obergföll nach ihrer Babypause noch zu kämpfen. Dafür ist Raphael Holzdeppe vom LAZ Zweibrücken, der vor zwei Jahren überraschend Gold im Stabhochsprung gewonnen hatte, bereits wieder in Top-Form und hat mit seinen 5,92 Metern international nur den französischen Weltrekordler und Olympiasieger Renaud Lavillenie (6,05) vor sich.

Der DLV baut vor allem auf seine Kugelstoß-Asse Christina Schwanitz, die mit 20,77 an der Spitze der Weltbestenliste steht, und David Storl . Der zweimalige Weltmeister hat diese Saison erstmals die 22-Meter-Marke geknackt und kann in Nürnberg zum fünften Mal in Serie Meister werden.

Aber lang ist auch die Liste der Ausfälle: die Mittelstreckler Timo Benitz und Homiyu Tesfaye, 3000-Meter-Hindernis-Europameisterin Antje Möldner-Schmidt, der frühere Weitsprung-Europameister Sebastian Bayer. Zudem haben die einstigen Weltklasse-Stabartisten Malte Mohr und Björn Otto lange Verletzungspausen hinter sich. Wettkampfhärte oder Konstanz haben sie nicht.

"Peking ist für uns eine WM in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2016", erklärt DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen und versichert: "Wir haben trotz der Verletzungssituation Potenzial." Dass die Ansprüche an die olympische Kernsportart bereits für Peking unverändert hoch sind, weiß er nur zu genau: "Wir wollen im Nationenranking wieder zu den großen Nationen gehören und unter die Top fünf kommen."

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Auf einen BlickZum ersten Mal wird aus dem Weitsprung bei deutschen Meisterschaften der Leichtathleten ein Marktplatz-Spektakel. Heute Abend findet die Konkurrenzen der Männer und Frauen (mit der Saarbrückerin Sosthene Moguenara als Favoritin auf die Goldmedaille) in der Nürnberger Innenstadt auf dem Hauptmarkt statt, während alle anderen Wettbewerbe am Samstag und Sonntag im Grundig-Stadion ausgetragen werden. Durch steile Zuschauertribünen können die Besucher Hochleistungssport hautnah miterleben - der Deutsche Leichtathletik-Verband erhofft sich davon mehr Aufmerksamkeit und neue Fans. red

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