„Der größte Tag in meinem Leben“

Ajacchio · Marcel Kittel, der sein Gelbes Trikot schon wieder verlor, und der verletzte Tony Martin rollten im Bummeltempo gemeinsam ins Ziel der zweiten Etappe der Tour de France. Neuer Führender ist der Belgier Jan Bakelants.

Marcel Kittel erfüllte sich bei der 100. Tour de France seinen Traum in Gelb, Tony Martins Pechsträhne hält dagegen an: Die deutschen Radprofis haben das Auftaktwochenende der Frankreich-Rundfahrt auf ganz unterschiedliche Weise geprägt. Während Kittel am Samstag zum Etappensieg und als erster Deutscher seit 2008 ins Gelbe Trikot sprintete, erlebte der Zeitfahr-Weltmeister eine schmerzhafte Fortsetzung seines Tour-Fluches.

Kittel stieg auf Korsika bei der ersten Flachetappe zum Tour-Auftakt seit 1966 in den Rad-Olymp auf. "Es fühlt sich an wie Gold auf meinen Schultern", sagte Kittel, dem es schwerfiel, die unwirkliche Situation zu begreifen: "Das ist bei weitem der größte Tag in meinem Leben." Gestern hatte ihn sein Argos-Shimano dann stilecht ausgestattet. Ganz in Gelb gekleidet und auf einem teils ebenfalls in der Farbe des Gesamtführenden gehaltenen Rad genoss der Thüringer aber nicht nur einige ruhmreiche Stunden, sondern kämpfte verbissen. "Das Trikot hat mir ein bisschen Flügel verliehen. Die Leute haben mich die ganze Zeit angefeuert, ich hatte Gänsehaut", sagte der Top-Sprinter.

Doch die Etappe, die der Belgier Jan Bakelants aus Jens Voigts RadioShack-Team nach 156 Kilometern gewann, war für ihn einfach zu schwer. Kittel, der immerhin das Grüne Trikot des punktbesten Sprinters behielt, erreichte das Ziel mit großem Rückstand, Bakelants übernahm von ihm die Gesamtführung. "Wir hatten einen Riesenstart, das werde ich nie vergessen. Jetzt können wir befreit auf Etappenjagd gehen", sagte Kittel.

Dass zeitgleich seinem Landsmann ein großes Unglück widerfahren war, vergaß der strahlende Sieger nicht. Eine Trost-SMS von Kittel munterte Tony Martin auf und half ihm beim Kampf gegen die eigenen Rückschläge. "Er hat im Moment seines größten Erfolges in seiner Karriere an mich gedacht. Das ist nicht selbstverständlich", sagte Martin. Der 28-Jährige war am schlimmsten von einem Massensturz betroffen, den das ausgebrochene Chaos um den am Zielturm festhängenden Orica-Teambus mitverursacht hatte. Kurzfristig war eine Vorverlegung des Ziels auf die Drei-Kilometer-Marke beschlossen worden. Das löste Panik im Feld aus. Martin geriet ausgerechnet mit dem Rostocker Top-Sprinter André Greipel aneinander und kam zu Fall. Martins Körper war übersät mit Schürfwunden und Blut, am Ellbogen hatte er eine tiefe, fast bis auf den Muskel reichende Fleischwunde. Trotzdem trat er gestern an und kämpfte sich an der Seite von Kittel durch die Etappe bis ins Ziel.

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