Der Glutofen fordert seine ersten Opfer

Melbourne · Bei den Australian Open müssen die Tennis-Profis mit Temperaturen von mehr als 40 Grad klar kommen. Aus deutscher Sicht war der zweite Turniertag nicht erfolgreich, einzig Michael Berrer gelang eine Überraschung.

Die Chinesin Shuai Peng musste sich auf dem Tennis-Platz übergeben, der Kanadier Frank Dancevic bekam auf dem Feld einen Schwindelanfall. Viele Ballkinder wurden nach kurzer Zeit wieder ausgetauscht. Die Hitze machte gestern bei den Australian Open allen zu schaffen. Um 17.45 Uhr erreichte die Temperatur im Melbourne Park mit 42,2 Grad ihren Höhepunkt. Und Besserung ist nicht in Sicht. Bis Freitag soll das Thermometer täglich die 40-Grad-Marke deutlich überschreiten.

Das prominenteste Opfer im Glutofen von Melbourne war gestern Publikumsliebling Lleyton Hewitt. Vor zehn Tagen hatte der 32-Jährige noch das ATP-Turnier in Brisbane gewonnen, hatte den Schweizer Roger Federer besiegt und war zu einem Geheimfavoriten für das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres aufgestiegen. Australien fieberte mit dem Routinier, der die Hoffnungen auf den ersten Heimsieg seit Mark Edmondson 1976 schürte. Nun aber ist Hewitt trotz einer beeindruckenden Aufholjagd in der ersten Runde ausgeschieden. Er verlor gegen den Italiener Andreas Seppi nach 4:18 Stunden mit 6:7 (4:7), 3:6, 7:5, 7:5 und 5:7 und wirkte vollkommen am Ende.

Wie Andrea Petkovic. "Es hat sich angefühlt, als wäre man unter einer Glocke. Man dachte, es schmilzt einem die Haut weg", sagte die 26-Jährige über die Hitze und ergänzte: "Ich bin schon sehr enttäuscht, aber ich bin, um ganz ehrlich zu sein, nicht mit sehr großen Erwartungen hierher gefahren." So trat sie auch auf. Gegen die an Nummer 32 gesetzte Slowakin Magdalena Rybarikova verlor die Darmstädterin mit 2:6 und 3:6 und konnte nach der ernüchternden Vorstellung ihre Tränen nicht zurückhalten.

Während ihre Fed-Cup-Kolleginnen Angelique Kerber, Sabine Lisicki und Co. um den Einzug in die dritte Runde kämpfen, ist Petkovic nur noch im Doppel dabei - und um eine negative Australien-Erfahrung reicher. Ausgeschieden sind bei den Herren auch Peter Gojowczyk nach dem 6:7 (5:7), 6:7 (5:7) und 3:6 gegen den Rumänen Victor Hanescu, der Orscholzer Benjamin Becker nach dem 3:6, 7:6 (7:5), 2:6 und 6:7 (2:7) gegen den Australier Nick Kyrgios, Tobias Kamke nach dem 6:7 (5:7), 7:5, 2:6 und 4:6 gegen den Amerikaner James Sock und Julian Reister, der gegen den Brasilianer Thomaz Bellucci beim Stand von 6:4, 3:6 und 6:7 (5:7) aufgab. Daniel Brands verlor in einem Marathonspiel gegen den an Nummer 18 gesetzten Franzosen Gilles Simon mit 7:6 (7:4), 4:6, 6:3, 3:6 und 14:16. Dabei vergab der Davis-Cup-Spieler im fünften Satz sieben Matchbälle, ehe Simon die Partie nach 4:32 Stunden für sich entschied. Bei den Damen stand Qualifikantin Carina Witthöft gegen Mandy Minella aus Luxemburg beim 1:6 und 4:6 auf verlorenem Posten.

Für eine Überraschung sorgte Michael Berrer. Der Stuttgarter setzte sich gegen den Franzosen Michael Llodra mit 6:4, 7:5 und 6:1 durch, nachdem er sich über die Qualifikation ins Hauptfeld gekämpft hatte. "Ich habe das Gefühl, je älter ich werde, desto fitter werde ich", sagte der 33-Jährige nach der körperlichen Grenzerfahrung. Neben ihm stehen von den zehn im Hauptfeld vertretenen Deutschen nur Florian Mayer in Runde zwei. Davis-Cup-Teamchef Carsten Arriens lief gestern mit tiefen Sorgenfalten auf der Stirn über die Anlage im Melbourne Park. Nachdem der eine Topspieler, Tommy Haas, am Montag bei den Australian Open sein Erstrunden-Spiel gegen den Spanier Guillermo Garcia-Lopez wegen Schulterproblemen aufgegeben hatte, trat der andere, Philipp Kohlschreiber, gestern zu seiner Auftaktpartie gegen den Slowenen Aljaz Bedene wegen einer Oberschenkelverletzung gar nicht erst an - und das zweieinhalb Wochen vor der Davis-Cup-Partie gegen Spanien in Frankfurt.

"Damit hatte ich nicht gerechnet", sagte Arriens: "Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie es sich weiter entwickelt." Der 44-Jährige muss sein Aufgebot für die Erstrunden-Partie vom 31. Januar bis 2. Februar am Dienstag kommender Woche nominieren.

Während Haas bereits zu seiner Familie in die USA flog und dort seine lädierte Schulter behandeln lassen will, machte sich Kohlschreiber in Melbourne auf den Weg ins Krankenhaus, um sich an seinem lädierten Oberschenkel untersuchen zu lassen. "Es fühlt sich relativ nah an der Verletzung an, die ich letztes Jahr hatte, als mir der Muskel gerissen ist. Von daher wollte ich vorsichtig sein", sagte Kohlschreiber. Die Verletzung im Davis-Cup-Spiel in Argentinien vor genau einem Jahr setzte den 30-Jährigen damals wochenlang außer Gefecht.

Sollten Haas und Kohlschreiber ausfallen, wären die Chancen gegen Spanien schlecht. Neue Nummer eins dürfte im schlechtesten aller Fälle Florian Mayer sein, auch Daniel Brands und Tobias Kamke könnten nominiert werden. Dass in Benjamin Becker, Julian Reister und Peter Gojowczyk in Melbourne drei mögliche Kandidaten ihre Erstrunden-Spiele verloren, trug nicht dazu bei, die Sorgenfalten auf Arriens' Stirn zu vertreiben.

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