Der Glücksgriff

Saarbrücken · Er könnte der Aufsteiger schlechthin in dieser Leichtathletik-Saison werden. Speerwerfer Johannes Vetter (22), Neuzugang bei Saar 05, hat die WM-Norm seit dem vergangenen Sonntag in der Tasche.

 Das neue Erfolgsduo im deutschen Speerwurf: Bundestrainer Boris Obergföll (links) und sein Schützling Johannes Vetter, derzeit der fünftbeste Werfer weltweit. Foto: Ruppenthal

Das neue Erfolgsduo im deutschen Speerwurf: Bundestrainer Boris Obergföll (links) und sein Schützling Johannes Vetter, derzeit der fünftbeste Werfer weltweit. Foto: Ruppenthal

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Dass ein Leichtathletik-Bundestrainer im Speerwerfen Ahnung von seiner Disziplin hat, ist ja grundsätzlich zu hoffen. Beim derzeit aktuellen Cheftrainer Boris Obergföll , der unter seinem Geburtsnamen Boris Henry im beschaulichen Ludweiler im Warndt zu einem Weltklasse-Athleten reifte, steht dies außer Frage. Der ehemalige EM- und WM-Dritte ist einer von nur zwölf Menschen weltweit, die den Speer über die magische 90-Meter-Marke schleuderten (90,44 Meter, geworfen am 9. Juli 1997 in Linz/Österreich).

Wenn Obergföll sich also eines Athleten annimmt, ihn trainiert und fördert, dann wird er in ihm Talent erkannt haben. So geschehen bei Matthias de Zordo (früher SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken ), den Obergföll 2011 in Südkorea zum Weltmeister machte.

De Zordo und Obergföll arbeiten nicht mehr zusammen. Doch der Bundestrainer hat einen neuen Rohdiamanten - Johannes Vetter. 22 Jahre alt, Soldat bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr - und seit Sonntag der Führende in der deutschen Jahresbestenliste. Bei einem Meeting in Jena warf Vetter seinen Speer auf 85,40 Meter und verbesserte damit seine persönliche Bestleistung, die erst zwei Tage alt war, um über drei Meter. Nur vier Athleten warfen in diesem Jahr weltweit weiter als er.

"Richtig realisiert habe ich das noch nicht", erzählt Vetter zwei Tage nach seinem Wurf. Zwar deuteten die Trainingsleistungen an, dass er solche Weiten drin hat, "aber im Wettkampf ist das dann doch immer etwas anderes. Das war eine ganz emotionale Sache. Ich war den Tränen nah."

Dass Vetter seit dieser Saison für Saar 05 wirft, hat auch mit seinem Trainer zu tun, der dort zu internationalen Meriten kam. Saar-05-Vereinschef Walter Hort sagt: "Den Vertrag mit Johannes habe ich auf Empfehlung von Boris gemacht. Johannes war 2014 Fünfter der deutschen Bestenliste mit 79,75 Metern. Boris hat mich gebeten, ihn zu verpflichten, da er ihn für ein großes Talent hielt. Das war wohl wieder ein Glücksgriff", freut sich Hort.

Wer Obergföll und Vetter beim Pfingstsportfest in Rehlingen beobachtete, konnte feststellen: Da passen zwei hervorragend zusammen. "Boris strahlt eine besondere Ruhe aus, die mich stärkt", erklärt Vetter, "die Tatsache, dass er früher so weit geworfen hat, gibt mir Selbstvertrauen. Er weiß einfach, wovon er spricht. Es ist eine Ehre für mich, dass ich bei ihm trainieren darf."

Eine Ehre, die er sich übrigens selbst ausgesucht hat. "Ich war in Dresden nicht mehr zu 100 Prozent zufrieden", erinnert sich Vetter. Weil er mit Obergföll 2014 in zwei Trainingslagern in Portugal und Südafrika gute Erfahrungen gesammelt hatte, fragte er bei ihm an, ob er auch sein Heimtrainer werden wolle. "Boris hat mir auch andere Möglichkeiten aufgezeigt und immer offen gelassen, wo ich hingehe", erzählt Vetter, "das rechne ich ihm hoch an". Aber Vetter wollte unbedingt zu ihm nach Offenburg - und mit Obergfölls Kontakt zu Saar 05 war auch schnell ein neuer Verein gefunden.

Vetters nächster Auftritt wird die U23-DM in Wetzlar am 13. und 14. Juni sein. Seinen geplanten Start bei den Saarlandmeisterschaften in Rehlingen eine Woche später muss er vielleicht absagen- aber aus gutem Grund: Der beste Deutsche darf bei der Team-Europameisterschaft im russischen Tscheboksary (20./21. Juni) ran. Und der heißt zurzeit bekanntlich Johannes Vetter.

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