Der gläserne Profi

Saarbrücken. Die Wahrheit liegt im Fußball immer noch auf dem Platz. Dort entgeht den vielen Fernsehkameras bei einem Bundesliga-Spiel kaum etwas - keine Finte, kein Foul, kein Handspiel, das sich nicht in der Superzeitlupe sezieren lässt. Neu ist seit dieser Saison, dass alle Akteure der 1. und 2

 Der Dortmunder Lukasz Piszczek brachte es am Freitag auf die Höchstgeschwindigkeit von 32,69 Stundenkilometern. Foto: dpa

Der Dortmunder Lukasz Piszczek brachte es am Freitag auf die Höchstgeschwindigkeit von 32,69 Stundenkilometern. Foto: dpa

Saarbrücken. Die Wahrheit liegt im Fußball immer noch auf dem Platz. Dort entgeht den vielen Fernsehkameras bei einem Bundesliga-Spiel kaum etwas - keine Finte, kein Foul, kein Handspiel, das sich nicht in der Superzeitlupe sezieren lässt. Neu ist seit dieser Saison, dass alle Akteure der 1. und 2. Liga von zwei Kameras verfolgt werden, die in allen Stadien auf Höhe der Mittellinie wettergeschützt unterm Stadiondach angebracht sind. Zudem rollt zu jeder Partie ein vollgeladener Kombi an, in dem sich ein aus drei Rechnern bestehendes Analysesystem befindet, das vier Stunden vor Anpfiff installiert wird. Alles für eine Überwachung, die zum einen Clubs, zum anderen Berichterstattern und Fans neue Einblicke ermöglicht.Wer läuft wohin und wie viel? Wer ist schnell, wer langsam unterwegs? Wer gewinnt und verliert die meisten Zweikämpfe? Wer passt am besten? Wer schießt am häufigsten?

Bei der Ausschreibung der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die Spieldaten zu erheben, erhielt die Firma Impire AG den Zuschlag. Sie darf ihre Statistiken und Grafiken auch vermarkten. Bei den Statistiken und Grafiken geht es nicht mehr nur ums so genannte "Scouting" - Ballbesitz, Ballkontakte, Torschüsse und Zweikämpfe. Der Mehrwert rührt aus automatisierten "Tracking"-Daten. Das betrifft alle Bewegungen auf dem Spielfeld: Laufleistung, Laufwege und Laufgeschwindigkeit. Die Veröffentlichung im Internet in detaillierter Einzelauswertung oder 3D-aninimiertem Bewegungsprofil lässt Spieler für alle zu gläsernen Darstellern werden. Die Vereine bekommen noch umfangreichere Datenpakete kostenlos. Zusätzlich sind Analysen der Konkurrenzanbieter im Gebrauch. "Sports analytics" oder "Mastercoach" heißen gängige Systeme zur Spielanalyse, letzteres benutzen seit Jahren etwa die Spielbeobachter, die für die Nationalelf unterwegs sind.

Impire mit 60 Vollzeit- und 180 Teilzeitmitarbeitern baut die offizielle DFL-Datenbank der Bundesliga auf. "Mit Hilfe der Software lassen sich etwa nur die relevanten Flankenläufer herausfiltern", sagt Impire-Mann Tim Schober, "mehr als die Hälfte der Profi-Clubs arbeitet mit uns zusammen". So fordert Bayern München Profile über kommende Gegner an, bei Borussia Dortmund werden die Profis mit Einzelauswertungen konfrontiert.

Trainer Jürgen Klopp lässt sich wie viele Kollegen die Zahlenkolonnen mundgerecht aufbereiten. An seiner Mannschaft lassen sich subjektive Eindrücke anschaulich mit objektiven Fakten unterfüttern. Sven Bender lief im Saison-Eröffnungsspiel gegen den Hamburger SV (3:1) famose 12,87 Kilometer. Lukasz Piszczek schaffte eine formidable Höchstgeschwindigkeit von 32,69 Stundenkilometern. Mario Götze spielte nicht nur 90,6 Prozent seiner Pässe zum Mitspieler, sondern war auch überall zu finden, wie die Grafik seiner Laufwege verriet. Unter dem Strich legte Dortmunds Mannschaft 124,7 Kilometern, Hamburg nur 113,7 Kilometer zurück. Die meisterliche Laufleistung wurde dem Zuschauer im Bezahl-TV noch während des Freitagabends im Live-Kommentator von Hansi Küpper übermittelt. Und auch manch Liveticker ist nun um wertvolle Zusätze bereichert.

Mit der neuen Methodik geraten nicht nur Spieler durchsichtiger, sondern auch Entscheidungen der Trainer. Marco Kurz vom 1. FC Kaiserslautern lag richtig damit, Richard Sukuta-Pasu bei Werder Bremen (0:2) zur Halbzeit auszuwechseln: Er hatte in der ersten Halbzeit nur zwölf Ballkontakte und gewann nur zwei von 21 Zweikämpfen. Dummerweise machte der für ihn ins Spiel gebrachte Itay Shechter es nicht viel besser. Er entschied auch nur zwei seiner 14 Duelle für sich. Wahrhaftig wenig - für Theorie und Praxis auf dem Platz.

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