Der gestürzte Monarch

Zürich · Vier Tage nach seiner Wiederwahl hat Fifa-Präsident Joseph S. Blatter persönliche Konsequenzen gezogen. Der 79-jährige stellt sein Amt zur Verfügung. Ende des Jahres soll ein neuer Chef gewählt werden.

Joseph S. Blatter wirkte relativ gefasst, als der 79-Jährige seine Worte in französischer Sprache vortrug. Vom Kampfgeist, seiner vermeintlichen Aufbruchstimmung wie noch bei seiner Wiederwahl zum Fifa-Präsidenten am Freitag trotz aller Widerstände vor allem aus Europa war aber nichts mehr zu spüren. Zuversichtlich wollte er ungeachtet der Festnahmen und Anklagen gegen hochrangige Funktionäre noch weitermachen und giftete einen Tag nach seiner Wahl noch gegen Uefa-Chef Michel Platini . An diesem denkwürdigen 2. Juni 2015 wirkte Blatter aber auch ein bisschen wie ein geschlagener Mann.

Dieser Skandal, bei dem vor allem die US-Justiz ermittelt, war zu viel. "Es ist meine tiefe Sorge um die Fifa und ihre Interessen, die mich zu dieser Entscheidung veranlasst hat", sagte Blatter am Ende seiner wohl schwersten Rede. "Ich möchte denen danken, die mich immer unterstützt haben in konstruktiver und loyaler Weise als Präsident der Fifa", betonte Blatter.

1998 hatte er den Posten übernommen. Seine Entscheidung war ungeachtet der erneuten Zuspitzung der Ereignisse gestern völlig unabsehbar. Nur wenige Medienvertreter hatten es überhaupt zu der Pressekonferenz in Zürich geschafft. Viele hatten schon damit gerechnet, dass die Zukunft von Generalsekretär Jérôme Valcke bei der Fifa gefährdet wäre. Die "New York Times" hatte berichtet, dass die US-Ermittler der Ansicht seien, Valcke sei "der hochrangige Fifa-Offizielle", der 2008 zehn Millionen Dollar von einem Fifa-Konto in der Schweiz auf ein US-Konto überwiesen habe. Die Fifa hatte dies umgehend zurückgewiesen. Unabhängig von den neuen Enthüllungen: Die Fifa hinterließ unter Blatter ein verheerendes Bild in der Öffentlichkeit. 88 Prozent der Deutschen halten Korruption im Weltverband für "wahrscheinlich". 81 Prozent davon sind überzeugt, dass Blatter persönlich verwickelt ist oder war. Nun will Blatter den Weg für eine neue Zukunft freimachen. "Ich liebe die Fifa mehr als alles andere und will nur das tun, was am besten für die Fifa und den Fußball ist", erklärte er. "Es war eine vernünftige Entscheidung. Der Druck wurde zu groß. Er wäre nie mehr zur Ruhe gekommen, ob er Schuld an den Skandalen trägt oder nicht. Das Problem der Fifa liegt in seinem System", sagte Franz Beckenbauer .

Meinung:

Allein der Glaube fehlt

Von SZ-RedakteurMichael Kipp

Dieser Rücktritt kommt zu spät. Und er kommt irgendwie unglaubwürdig daher. Blatter hat sich Gedanken über seine Verantwortung gemacht, sagt er, und dabei sei ihm doch tatsächlich aufgefallen, dass er "nicht das Mandat der gesamten Fußball-Welt habe". Das fällt ihm zu spät ein und auf. Denn das ist bereits seit 1998 so, als der erste große Skandal die Fifa unter Blatter erschütterte. Seither hat er Gegenwind in der Fußballwelt.

Da ihm der bisher immer egal war, fällt es sehr schwer zu glauben, dass Blatter nun wirklich aus Sorge vor dem Niedergang der Fifa zurückgetreten ist. Es ist zwar nur eine Spekulation, doch sie ist in diesem Fall so naheliegend, dass sie formuliert werden sollte: Dieser Rücktritt sieht eher nach einer Flucht vor Strafverfolgungsbehörden aus. Vielleicht wollte Blatter sich einfach nur die Schmach ersparen, irgendwann einmal auf einer Fußball-Tribüne verhaftet zu werden.

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