Der eigentliche Topfavorit

Saarbrücken. Auf dem Weg zum Titel zählt in der Formel 1 nicht immer die schnellste Zeit - dafür aber jede Kleinigkeit. Und deshalb überlässt Sebastian Vettel (22) nichts dem Zufall. Zwei Tage verbrachte der Vizeweltmeister im Winter in der Fabrik seines Red-Bulls-Teams in England, nur um sich den Sitz für die kommende Saison anpassen zu lassen

 Sebastian Vettel, ein Lausbub. Seine Unbekümmertheit zeigt er auch auf der Rennstrecke. Nicht wenige Experten halten ihn für den Topfavoriten auf den WM-Titel in der Formel 1. Foto: dpa

Sebastian Vettel, ein Lausbub. Seine Unbekümmertheit zeigt er auch auf der Rennstrecke. Nicht wenige Experten halten ihn für den Topfavoriten auf den WM-Titel in der Formel 1. Foto: dpa

Saarbrücken. Auf dem Weg zum Titel zählt in der Formel 1 nicht immer die schnellste Zeit - dafür aber jede Kleinigkeit. Und deshalb überlässt Sebastian Vettel (22) nichts dem Zufall. Zwei Tage verbrachte der Vizeweltmeister im Winter in der Fabrik seines Red-Bulls-Teams in England, nur um sich den Sitz für die kommende Saison anpassen zu lassen. Immer wieder setzte er sich für neue Abdrücke in die gipsartige Masse, immer wieder wurde gefeilt. Die ungeliebte Sysiphus-Arbeit bringt zwar kein einziges PS mehr, aber sie ist wichtig. Der Sitz muss sitzen. Denn aussitzen lassen sich Probleme im Rennen nicht - nur wenn alles richtig passt, kann ein Pilot auch schnell sein. Und Vettel soll schließlich den Titel holen.

"Ich will gewinnen"

"Wir bauen Auto und Team um Sebastian herum auf. So wie es Ferrari mit Michael Schumacher und Renault mit Fernando Alonso gemacht hat", sagt Vettels Teamchef Christian Horner. Das scheint zu funktionieren: Bei den Testfahrten waren die Roten Bullen immer ganz vorne dabei. Kein Wunder, denn Vettel hatte sich zuvor wochenlang im Simulator in der Fabrik auf die Saison vorbereitet. Täglich bis zu acht Stunden fuhr er in der zwei Millionen Euro teuren XXL-Playstation alle WM-Strecken ab. In Zeiten des Testverbots ist das die beste Möglichkeit, um zu verhindern, dass die Reflexe Rost ansetzen.

"Hin und wieder aufs Podest - das gibt mir nichts. Ich will gewinnen", gibt Vettel als Motto aus. Die Nummer zwei der WM 2009 will in diesem Jahr den Schritt zur Nummer eins machen. Dabei ist Vettel ähnlich ehrgeizig und zielstrebig wie sein Konkurrent Michael Schumacher. Und er verfügt zudem über eine lausbubenhafte Schlitzohrigkeit. Auf den Rummel um Schumacher angesprochen, lacht er: "Wenn er die meisten Berichte hat, ich aber die meisten Pokale, soll mir das recht sein." Formel-1-Boss Bernie Ecclestone jedenfalls setzt voll auf Vettel: "Er hätte die WM im Vorjahr gewinnen können, er hätte es sollen. Ich bin sicher, diese Saison ist er bereit." Der ehemalige Rennfahrer und TV-Experte Marc Surer sieht das ähnlich: "Für mich ist Sebastian der Top-Favorit."

Was Vettel auszeichnet, ist nicht nur, dass er schnell Auto fahren kann. Er kann auch ein Team mitreißen. Selbst als die Lage im Titelkampf im vergangenen Jahr aussichtslos war, trieb er sich und sein Team immer wieder an.Vettel glaubte an seine Chance. Am Ende hat es dann zwar doch nicht gereicht. Doch Vettel hat aus den Fehlern gelernt. Ein unnötiger Unfall beim Saisonauftakt, riskante Renn-Strategien, die dann am Ende nicht aufgingen. Dazu das Problem, dass wegen einiger Defekte gegen Ende der Saison die Motoren knapp wurden und Vettel nicht mehr so viel trainieren konnte.

Ärger mit dem Motor

"Wir mussten lernen, dass man nicht immer das Maximum, den Sieg, herausholen kann. Man muss versuchen, das Bestmögliche zu erreichen", sagt Vettel. Heißt: Es ist besser, mal Zweiter zu werden, als beim Versuch zu gewinnen, von der Piste zu fliegen.

Was für Vettel spricht: Im Vorjahr waren Red Bull erst spät Flügel gewachsen. Ab Mitte der Saison überholte das Team den Konkurrenten Brawn-Mercedes. In der zweiten Saisonhälfte war der Red Bull das deutlich bessere Auto. Und das, obwohl der Renault-Motor deutlich schwächer ist. David Coulthard, sowohl Mercedes-Markenbotschafter als auch Red-Bull-Repräsentant, schätzt: "Der Mercedes-Motor war je nach Strecke zwischen zwei bis vier Zehnteln besser."

Red-Bull-Konstrukteur Adrian Newey räumt daher offen ein, dass er lange einen Herstellerwechsel erwogen habe, doch notgedrungen blieb das Team bei Renault. Als bei der Jungfernfahrt des neuen Autos nach 47 Runden wegen eines Öllecks der Motor getauscht werden musste, gab es besorgte Mienen in der Box. Bloß nicht wieder so ein Ärger wie vergangenes Jahr. Doch Red-Bull-Chef Christian Horner ist optimistisch. Wird er nach Vettels Schwächen befragt, grinst er nur: "Seine Frisur." Und das ist nun wirklich eine Kleinigkeit, die nicht zählt.

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