Der coole Pirlo

Kiew. Andrea Pirlo verzog keine Miene, als er seinen Geniestreich in wenigen Sätzen erklärte. Torwart Joe Hart habe sich halt früh in die Ecke bewegt, also habe er kurzfristig anders entscheiden müssen

Kiew. Andrea Pirlo verzog keine Miene, als er seinen Geniestreich in wenigen Sätzen erklärte. Torwart Joe Hart habe sich halt früh in die Ecke bewegt, also habe er kurzfristig anders entscheiden müssen. Was für seine englischen Fußballer, die seit jeher mit dem Nervenspiel vom Elfmeterpunkt auf Kriegsfuß stehen, ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint, war für den Mittelfeldstar der italienischen Nationalelf die normalste Sache der Welt. Eiskalt hatte er Hart im Stile von Antonin Panenka versetzt, als er den Ball in aufreizender Lässigkeit in die Mitte des Tores löffelte, während Englands verdutzter Torwart ins Leere sprang. Natürlich ist Pirlo nach dem 4:2 im Elfmeterschießen gegen England im EM-Viertelfinale zum Mann des Spiels gewählt worden. Doch wo andere seiner Zunft den Medienrummel im grellen Scheinwerferlicht der großen EM-Bühne auskosten, verschwindet Pirlo so schnell wie er gekommen war. Große Worte sind nicht sein Ding, der Schweiger aus Brescia lässt lieber Taten sprechen - auf dem Rasen, wo er die Fäden des italienischen Spiels fest in seinen Händen hält.Pirlo ist das Herzstück dieser italienischen Mannschaft. Die sportliche Auferstehung des Weltmeisters von 2006 ist eng mit der "Wiedergeburt" des 33-Jährigen verknüpft. Denn es ist gerade einmal ein Jahr her, als der "L'Architetto" bei seinem langjährigen Club AC Mailand ausgemustert und abgeschoben worden war. Pirlo wechselte zum Rekordmeister Juventus Turin und führte die "alte Dame" nach sportlich tristen Zeiten zurück auf den Thron der Serie A. Ungeschlagen marschierte Juve durch die Saison, in 37 von 38 Spielen stand Pirlo auf dem Spielfeld. Die letzte Niederlage des Mittelfeldspielers in der italienischen Meisterschaft liegt schon über 18 Monate zurück.

Auch in der "Squadra Azzurra" schien Pirlos Zeit bereits abgelaufen zu sein. Nur 34 Minuten kam er bei der WM 2010 in Südafrika zum Einsatz. Ohne Pirlo verabschiedete sich der Titelverteidiger sang- und klanglos in der Vorrunde. Zwei Jahre später ist Italien mit Pirlo wieder zurück im Konzert der Großen. Wieder heißt der Gegner im Halbfinale Deutschland, so wie 2006. "Sie haben eine hervorragende Mannschaft und hatten bislang keine Probleme, aber es ist das Halbfinale bei einer EM. Wir sind hoffnungsvoll", sagt der kleine "Maestro" und träumt von seinem wohl letzten großen Coup. dapd

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