Der Bundestrainer macht „Abstriche“

Vigo · Bundestrainer Joachim Löw verlangt von seiner Mannschaft zum Abschluss des weltmeisterlichen Jahres heute im Testspiel gegen Ex-Weltmeister Spanien (20.45 Uhr) „nur“ bedingungslosen Einsatz.

Die Wettervorhersage kündigt strömenden Regen an, das Stadion gilt als Ruine, und die Stadt Vigo ist nach Ansicht von Lukas Podolski "nicht so geil": Angesichts der wenig glamourösen Voraussetzungen und der Verletzungssorgen hat Bundestrainer Joachim Löw im Vorfeld Nachsicht angekündigt. Das Ergebnis im letzten Spiel des weltmeisterlichen Jahres heute gegen Spanien (20.45 Uhr/ARD ) sei zweitrangig, Löw will "nur" eine gute Einstellung sehen. "Dieses Jahr war sensationell gut und wird in unserer Geschichte immer einen besonderen Stellenwert haben. Das wäre auch von einer Niederlage in einem Testspiel nicht anzukratzen", sagte der 54-Jährige.

"Ob die technischen und taktischen Abläufe klappen, da bin ich mir auch nicht zu 100 Prozent sicher. Da muss ich schon Abstriche machen", sagte Löw, der zudem "andere Vorzeichen" erwartet, "weil wir es in dieser Zusammensetzung wohl nicht schaffen werden, mehr Ballbesitz zu haben". Von der Mannschaft, die in Abwesenheit von Kapitän Bastian Schweinsteiger und Manuel Neuer von Spanien-Legionär Sami Khedira von Real Madrid auf das Spielfeld geführt wird, verlangt Löw "eine hochengagierte Leistung und eine läuferisch und kämpferisch starke Einstellung". Er werde Spieler nicht danach beurteilen, "ob sie Fehler machen".

Von Toni Kroos , Benedikt Höwedes und Thomas Müller - den drei einzigen verbliebenen Weltmeistern aus der Startelf des WM-Endspiels in Brasilien (Siegtorschütze Mario Götze wurde eingewechselt) - erwartet Löw, dass sie die Mannschaft anführen. Von allen anderen - wie den "Frischlingen" Antonio Rüdiger und Kevin Volland, deren Startelf-Einsätze Löw ankündigte - erhofft er sich "Kompaktheit, eine gute Organisation" und dass die Mannschaft "über Ballgewinne zu schnellem Konterspiel" kommt.

Ob im Tor der Dortmunder Roman Weidenfeller sowie der Hannoveraner Ron-Robert Zieler jeweils eine Halbzeit spielen werden, wollen Löw und sein Torwarttrainer Andreas Köpke kurzfristig entscheiden. Auch die beiden Schlussmänner müssten sich in ihrem erst fünften beziehungsweise vierten Länderspiel beweisen, erklärte der Bundestrainer .

Das für das prestigeträchtige Spiel des amtierenden gegen den Ex-Weltmeister recht triste Ambiente mit Dauerregen im alten und kleinen Estadio Balaidos (Fassungsvermögen: 31 800 Zuschauer) bedauert Löw. Als Ausrede will er dies nicht gelten lassen. Der zunehmend in die Kritik geratene Podolski, der im schlimmsten Fall vor seinem letzten Länderspiel steht, hatte bereits vor Tagen bedauert, "dass das Spiel nicht in Madrid oder Barcelona stattfindet".

Kroos, in Spanien nach seinen starken Leistungen für Real Madrid überall bejubelt, hat mit seinem neuen Club noch nicht in Vigo gespielt. Er will in seiner neuen Heimat Spanien mit der deutschen Nationalmannschaft auftrumpfen. "Wir kommen als Weltmeister, da ist es unsere Aufgabe, jedes Spiel zu gewinnen", betonte der 24-Jährige.Der personelle Umbruch ist mitten im Gange, hinzu kommen interne Unstimmigkeiten: Vor dem Duell gegen Weltmeister Deutschland steht die einstige Übermannschaft aus Spanien unter Zugzwang. Denn genauso wie die deutsche Auswahl ist der Europameister von seiner Topform weit entfernt.

Vor dem Spiel heute in Vigo dominierten vor allem Querelen um Diego Costa die Schlagzeilen. Der Stürmer des FC Chelsea war von Nationaltrainer Vicente del Bosque wegen einer Verletzung nicht für die Partien gegen Weißrussland (3:0) und Deutschland nominiert worden. Einen Tag nach Bekanntgabe des Kaders lief Costa in der englischen Premier League im Duell gegen den FC Liverpool auf und schoss das Tor zum 2:1-Endstand. Hinzu kam, dass auch Mittelfeldspieler Cesc Fabregas für die Nationalelf absagte. Auch er stand im Spiel gegen Liverpool auf dem Platz. "Ich würde mir wünschen, dass Spieler sich für die Nationalelf ebenso engagieren wie für ihren Verein", wurde daraufhin Spaniens Abwehrspieler Sergio Ramos zitiert. Doch er fühlte sich falsch verstanden. "Als ich über Hingabe sprach, habe ich nicht gemeint, dass diese beiden keine hätten", sagte er. Auch Torhüter Iker Casillas versuchte, die Wogen zu glätten: "Ich bin überzeugt, dass Cesc und Diego Costa sich total für die Nationalmannschaft einsetzen."

Trainer del Bosque betonte gestern, dass er keinen Spieler ausschließen werde. Dennoch gab es eine klare Ansage: "Wenn jemand nicht spielt und sein Ersatzmann macht es gut, hat er es schwer, wieder in die Mannschaft zu kommen. Wenn Diego Costa und Cesc zurückkommen, dann können andere Spieler ihre Plätze eingenommen haben. Das ist keine Drohung, sondern Realität."

Die Spanier können interne Streitigkeiten zum derzeitigen Moment nicht gebrauchen. Nach dem Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft in Brasilien versucht del Bosque, die Nationalelf neu zu formieren. Bisher mit mittelmäßigen Erfolg. In der EM-Qualifikation liegt der Europameister in Gruppe C nur auf Platz zwei hinter der Slowakei. Immerhin: Zuletzt zeigten die hochtalentierten Isco, 22, Koke, 22, oder Paco Alcacer, 21, starke Leistungen. Gerade in Francisco Alarcón, genannt Isco, sind die spanischen Fans vernarrt. Er schoss Spanien im Spiel gegen Weißrussland nicht nur in Führung, sondern führte auch brillant Regie. Del Bosque hielt dem Mittelfeldspieler von Real Madrid zwar Schönspielerei vor, aber in einer Internetumfrage wählten ihn knapp 80 Prozent zum derzeit besten spanischen Fußballer.

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Auf einen BlickVoraussichtliche Aufstellungen: Spanien: Casilla (Espanyol Barcelona /28 Jahre/0 Länderspiele) - Azpilicueta (FC Chelsea /25/9), Raul Albiol (SSC Neapel /29/49), Sergio Ramos (Real Madrid /28/123), Juan Bernat (Bayern München/21/1) - Busquets (FC Barcelona /26/37), Koke (Atlético Madrid ), Santi Cazorla (FC Arsenal /29/69) - José Callejon (SSC Neapel /27/1), Nolito (Celta Vigo /28/0), Raul Garcia (Atlético Madrid /28/1).Deutschland: Weidenfeller (Bor. Dortmund/34/4) - Rüdiger (VfB Stuttgart /21/4), Mustafi (FC Valencia /22/5), Höwedes (FC Schalke/26/30), Durm (Dortmund/22/6) - Bender (Bayer Leverkusen /25/18), Khedira (27/52) Kroos (beide Real Madrid /24/56) - Müller (25/61), Götze (beide Bayern München/22/40), Volland (1899 Hoffenheim/22/2). dpa

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